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Dollar-Koffer besänftigt Crew

■ Streikende Besatzung eines zypriotischen Frachters bekommt 120.000 Dollar nach Intervention der ITF-Gewerkschaft / Bank of Scottland hilft, weil der Reeder pleite ist

Ein Schiffsagent wird heute einen Koffer mit 119.767 amerikanischen Dollar auf dem zypriotischen Frachter „Anna L.“im Überseehafen abgeben. Diese Summe in Cash ist das Argument, um 20 ukrainische Seeleute dazu zu bringen, ihren seit Montag andauernden Streik abzubrechen und bis zum nächsten Hafen im jordanischen Akaba an Bord zu bleiben. Das Geld stammt aus den Tresoren der Bank of Scottland, die die Forderungen der Seeleute anstelle des offenbar bankrotten griechischen Reeders erfüllen mußte.

„Die Bank hat das meiste Geld in dem Schiff“, sagt Ali Memon von der Internationalen Transportarbeitergewerkschaft ITF, der die Verhandlungen für die Crew führte. „Da hatten wir Glück, daß wir direkt mit der Bank of Scottland verhandeln konnten“, sagt Memon. Erst Anfang Oktober hatte die ITF einer streikenden russischen Besatzung 66.000 Dollar ausstehender Heuer erstritten.

Die Schuld für die Bank erhöht sich laut Memon um 1.000 Dollar pro Tag, den das Schiff im Hafen festliegt. Außerdem entgeht dem Reeder eine Tagescharter von bis zu 5.000 Dollar. Beim Verkauf der 13.000 BRT großen „Anna L.“hoffen die Schotten auf einen Erlös von drei bis vier Millionen Mark.

Von der Reederei, der „Leond Maritime Piräus“war das Geld nicht zu erwarten. Drei andere ihrer Schiffe liegen bereits in Vancouver, Singapur und Rotterdam wegen offener Rechnungen fest. „Auch die Anna L. war gerade in Antwerpen 20 Tage arrettiert“, sagt ITF-Mann Memon. Entsprechend genervt waren die Ukrainer. Sie wollten am liebsten sofort von Bord gehen, sobald sie ihre ausstehende Heuer von 90.000 Dollar bekommen haben. Aber 1.000 Dollar Bonus und 15 Tage Heuer im Voraus für die Fahrt bis ins Rote Meer ließ die Männer ihre Meinung ändern.

Am Montag abend hatten sie noch Verrat gewittert. Als die „Anna L.“aus dem Neustädter Hafen geschleppt werden sollte, um einen dort benötigten Liegeplatz freizumachen, wollten die streikenden Seeleute zuerst nicht mitmachen. Sie hatten Angst, daß der Kapitän das Weite suchen würde. Nach guten Worten der Gewerkschafter stimmte die Crew schließlich zu, den Frachter in den Überseehafen zu verholen.

Abhauen wäre aber ohnehin nicht drin gewesen. Die Seeberufsgenossenschaft hat das Schiff an die Kette gelegt. Bis die Entöleranlage nicht repariert ist, gibt es keine Auslauferlaubnis. Das soll aber heute geschehen.

Joachim Fahrun

F.: Tristan Vankann

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