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Späte Ehrung von Faschisten

■ Rumänien will sechs Minister der Antonescu-Regierung rehabilitieren. Der Diktatur fielen 150.000 Juden und Roma zum Opfer

Berlin (taz) – Während in Frankreich dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Maurice Papon der Prozeß gemacht wird und der Vatikan eine Erklärung zur Verurteilung des Antijudaismus vorbereitet, sollen in Rumänien jetzt sechs Minister der Antonescu-Regierung rehabilitiert werden. Der neue Generalstaatsanwalt, Sorin Moisescu, ließ verlauten, daß entsprechende Verfahren bereits eingeleitet seien. Damit werden erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg Mitglieder einer faschistischen Regierung rehabilitiert, was auf die im vergangenen Herbst an die Macht gekommene neue Regierung ein zweifelhaftes Licht wirft.

Für die während der Diktatur von Ion Antonescu begangenen Verbrechen gibt es unzählige Belege. Im September 1940 erklärten Antonescu und seine Bündnispartner – aus der faschistischen „Legion des Erzengels Michael“, auch als „Eiserne Garde“ bekannt – Rumänien zum „nationallegionären Staat“. Die demokratischen Parteien wurden verboten, die Verfassung außer Kraft gesetzt und die Volkswirtschaft „rumänisiert“. Juden wurden aus dem öffentlichen Dienst entlassen und mit Berufsverboten belegt, der jüdische Besitz enteignet, jüdische Schüler und Studenten aus den rumänischen Schulen und Universitäten ausgeschlossen.

Im Zuge der „Reorganisierung des Staates“ bezeichnete Antonescu die „methodische und progressive Lösung“ der sogenannten „Judenfrage“ als eine der wichtigsten Aufgaben seiner Regierung. Kurze Zeit später ordnete er die systematische Internierung der Juden in KZ-ähnlichen Einrichtungen an. Die unbeschreiblichen Greueltaten, die in den Lagern von Transnistrien begangen wurden, erschreckten sogar hartgesottene Nazioffiziere.

„Das nationale Wesen unseres Volkes muß vor einer Durchmischung mit jüdischem Blut geschützt werden“, forderte der Kulturminister Radu Rosetti, der jetzt ebenfalls auf der Rehabilitierungsliste steht, schon im März 1941. Und der Stellvertreter des Staatsführers, Mihai Antonescu, erklärte in einer Rede vor dem Ministerrat am 8. Juli 1941: „Ich plädiere für die gewaltsame Ausweisung aller jüdischen Elemente aus Bessarabien und der Bukowina (...) Es ist mir gleichgültig, ob wir als Barbaren in die Geschichte eingehen (...). Jetzt ist der günstigste Augenblick unserer Geschichte gekommen. Wenn es notwendig sein sollte, feuert mit Maschinengewehren.“ Insgesamt soll das Antonescu-Regime, das bis August 1944 dauerte, für den Tod von mindestens 120.000 Juden und mehr als 20.000 Roma verantwortlich sein.

Versuche, Antonescu wieder hoffähig zu machen, sind nicht neu. Bereits kurz nach der Wende vom Dezember 1989 hatten zahlreiche rumänische Politiker und Organisationen eine Rehabilitierung des 1946 als Kriegsverbrecher hingerichteten Diktators gefordert. Wohl auf Druck des Auslands wurde das Verfahren eingestellt, aber die Propaganda zugunsten Antonescus ging weiter. In mehreren rumänischen Städten wurden Straßen nach ihm benannt, seine Anhänger initiierten die Errichtung von Denkmälern, Zeitungen berichteten überschwenglich über seine Heldentaten während des „heiligen antibolschewistischen Krieges“ an der Seite Hitlerdeutschlands. Besonders deutlich wurde die parteiübergreifende Sympathie für Antonescu im Juni 1991, als ihn das Parlament mit einer Schweigeminute ehrte. Nur die ungarischen Abgeordneten verließen aus Protest gegen die posthume Verherrlichung des Hitler- Verbündeten den Saal.

Der Generalstaatsanwalt begründete das Rehabilitierungsverfahren der sechs Minister jetzt damit, daß es sich nur um „Spezialisten“ handele. Sie trügen keine Verantwortung für die Verbrechen des Antonescu-Regimes. William Totok

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