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"Wir geben bloß einen Rahmen"

■ Ruhe nach dem Sturm: Das Berliner Jüdische Museum soll kulturell und finanziell autonom werden - im Rahmen der Stiftung Stadtmuseum. Ein Gespräch über das "integrative Modell" mit Lutz von Pufendorf, Staatsse

Das Konzept für den Fortbestand des Jüdischen Museums steht, der Streit zwischen Senat und Jüdischer Gemeinde ist beigelegt. Es ist schon erstaunlich, wie breit der Konsens war, als am vergangenen Dienstag Berlins Kultursenator Peter Radunski (CDU) verkündete, daß dem Jüdischen Museum innerhalb der Stiftung Stadtmuseum zukünftig weitgehende finanzielle und kulturelle Autonomie zugebilligt wird (siehe taz vom 29.10.). Immerhin war zuletzt Amnon Barzel als Direktor des Jüdischen Museums gekündigt worden, nachdem er auf eben dieser Autonomie bestanden hatte. Daß es bei dem Streit vor allem um die fehlende Definition der Aufgaben für ein solches Museum ging, scheint fast vergessen. Tatsächlich waren Barzel und Reiner Güntzer, Generaldirektor der Stiftung Stadtmuseum, unversöhnlich darüber entzweit, ob das Haus für historische Ausstellungen zur Geschichte der Juden genutzt werden soll oder auch für zeitgenössische Kunst, wie es Barzel vorgeschlagen hatte. Entscheidend für die Führung des Hauses wird weiterhin sein, wer zum Direktor des Jüdischen Museums nach dem Abgang von Amnon Barzel gewählt wird.

taz: Herr von Pufendorf, das Jüdische Museum soll den Status einer sogenannten unselbständigen Stiftung bekommen. Was genau darf man sich darunter vorstellen?

Lutz von Pufendorf: Eine unselbständige Stiftung ist keine juristische oder natürliche Person, die rechtlich handlungsfähig ist. Sie ist eingebunden in eine andere Rechtspersönlichkeit. Analog gibt es das bei der Akademie der Künste, die Archive sind dort auch unselbständige Stiftungen. Sie verfügt über eigene Strukturen, eigene Gremien. Sie hat einen eigenen Haushalt, einen eigenen Stellenplan und besitzt so mehr Eigenständigkeit, als das bisher beim Jüdischen Museum der Fall war.

Einerseits garantieren Sie dem Jüdischen Museum kulturelle Autonomie, andererseits machen Sie ihm eine inhaltliche Vorgabe, indem sie sagen, das integrative Modell solle verwirklicht werden. Ist das nicht ein Widerspruch?

Nein, wieso? Wir geben dem Jüdischen Museum einen Rahmen, und in diesem Rahmen hat es seine selbständigen Möglichkeiten. Das ist etwas völlig Normales. Das integrative Modell, berlinische und jüdische Geschichte zusammen auszustellen, ist die Philosophie, die das Land Berlin seit 25 Jahren verfolgt. Wir sind immer in aller Welt dafür gelobt worden. Nur weil es Querelen um den ersten Direktor des Jüdischen Museums gegeben hat, soll das plötzlich in Frage gestellt werden?

Wie erklären Sie sich, daß der Stiftungsrat des Stadtmuseums bislang nur aus zwei Personen bestand. Wobei die eine, der Generaldirektor, sich noch dazu quasi selbst kontrollieren sollte?

Das hat schlicht praktische Gründe gehabt – zumal das Museumsstiftungsgesetz nicht nur für das Stadtmuseum, sondern für alle Berliner Landesmuseen gelten sollte –, wie mir gesagt worden ist, um keine großen Apparate zu entfalten und keine großen Kosten auszulösen. Als ich das erste Mal davon hörte, habe ich das gleich als eine perverse Konstruktion bezeichnet. Sie ist grotesk und stiftungsrechtlich ein Unding.

Der Verantwortliche dafür ist inzwischen Generaldirektor der Stiftung Stadtmuseum. Werden die Konflikte der letzten zwei Jahre auch für Reiner Güntzer Konsequenzen haben?

Wieso? Güntzer hat sich nichts zuschulden kommen lassen.

Er hat zum Beispiel das Gesetz vorbereitet, das vorsieht, daß der Stiftungsrat aus nur zwei Personen besteht.

Nein, das ist, soviel ich weiß, gar nicht mal auf seinem Mist gewachsen, sondern im Laufe der Beratungen in den Gremien zusammengebastelt worden. Nein, nein, Güntzer wird hier völlig zu Unrecht belastet.

Wie beurteilen Sie generell Reiner Güntzers Rolle im Streit um das Jüdische Museum?

Er hatte eine höchst undankbare Rolle. Er durfte um des lieben Friedens willen gegen alle dienstrechtlichen Verstöße Barzels nichts unternehmen, also auch keine Abmahnungen aussprechen. Das konnte doch nicht gutgehen. Güntzer ist schweres Unrecht geschehen durch die ständigen Angriffe, er sei derjenige, der das Ganze verschuldet habe.

Die kulturelle Autonomie für das Jüdische Museum, die Erweiterung des Stiftungsrats, die Aufwertung der Stellung des Direktors des Jüdischen Museums, das alles sind Dinge, die Amnon Barzel auch schon gefordert hat. Warum haben Sie ihn dann nicht behalten?

Barzel ist kein Museumsmann, er ist Ausstellungsmacher. Für ihn, das hat er immer wieder zum Ausdruck gebracht, ist eine ständige Schausammlung eine grauenvolle Vorstellung. Er wollte große Themenausstellungen machen.

Oder eben beides...

Nein, Entschuldigung, im übrigen gibt es ja auch einen Bereich für Wechselausstellungen im Libeskind-Bau, der ihm aber nicht genügte, weil er den gesamten Museumskomplex zum Ort von wechselnden Themenausstellungen machen wollte, die obendrein zuwenig mit Berliner Geschichte zu tun gehabt hätten. Außerdem zeigt die von ihm regelmäßig aufgestellte Behauptung, das Jüdische Museum sei in den Keller verbannt, daß er nicht nur die Architektur, sondern die Grundidee des Libeskind-Baus völlig – man möchte fast sagen vorsätzlich – mißverstanden hat. Der sogenannte Keller ist der Übergang zum Berlin-Museum und damit sogar ein zentraler Ort dieses Gebäudes. Der Unfrieden hat mit dem ersten Amtstag Barzels angefangen. Ich erinnere mich noch gut an sein erstes Interview im SFB, das ich im Autoradio mitgehört habe. Er hat von Anfang an versucht, den gesamten Standort in der Lindenstraße zum eigenständigen Jüdischen Museum zu machen. Und wir haben uns gefragt, was ist denn hier los? Ist dem nicht gesagt worden, welche Aufgabe er hat?

Eine Arbeitsgruppe um Daniel Libeskind soll nun eine Konzeption für das Jüdische Museum erarbeiten. Ist Libeskind als vielbeschäftigter Architekt dazu denn überhaupt in der Lage?

Libeskind hat ja bereits ein Konzept geschrieben. Es gibt dieses Papier der Konzeptkommission vom Februar 1996, in der Libeskind vertreten war. Eine gewisse Vorarbeit ist also schon geleistet.

Ist Libeskind als Architekt des Museums unabhängig genug für eine solche Aufgabe?

Libeskind ist weiß Gott ein unabhängiger Mann. Außerdem hat er eine Runde von Experten um sich, mit denen er sich berät. Natürlich kann jemand, der so eng verwoben ist mit einem Projekt wie er, Betriebsblindheit entwickeln. Aber ich glaube nicht, daß das bei Libeskind der Fall ist. Und er kann verhindern, daß die künftige Präsentation in Konflikt mit der Architektur gerät. Darüber hinaus bemühen wir uns, einen neuen Interimsdirektor für das Jüdische Museum zu finden.

Wie erklären Sie es sich, daß das Verhältnis zur Jüdischen Gemeinde immer schlechter geworden ist?

Intern gibt es an sich gar keine unüberwindlichen Irritationen. Wir haben es hier mit Problemen innerhalb der Jüdischen Gemeinde zu tun. Es ist eine ungeheuer schwierige Gemeinschaft, in der es große Meinungsverschiedenheiten gibt. Manche sagen, Integration ist nur um den Preis der Assimilation zu bekommen, das wollen wir nicht. Damit umzugehen ist für die Vertreter der Jüdischen Gemeinde ungeheuer schwer.

Der Interimsdirektor soll in den nächsten Tagen bestimmt werden. Sie können wahrscheinlich noch nicht sagen, wer es ist?

Nein, leider. Und die Zeitangabe „in den nächsten Tagen“ war wohl etwas zu optimistisch formuliert. Eine solche Entscheidung will wohlbedacht sein.

Herrmann Simon von Centrum Judaicum war im Gespräch...

Nicht als Interimsdirektor, sondern als regulärer Nachfolger. Sie müssen bedenken, daß wir mit Barzel in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen stehen, da dürfen wir keine neuen Tatsachen schaffen.

Und wo suchen Sie diesen Übergangsdirektor? In Berlin?

Möglichst in Berlin, ja. Interview: Ulrich Clewing

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