: „Genau hier ging meine Frau zum Abfahrtslauf“
Zwei Minister, zwei Bier, eine Reise. Wie Volker Rühe und Theo Waigel fernab von Bonn, in Sarajevo, Freunde wurden ■ Von Bettina Gaus
Eine echte, treue Männerfreundschaft ist etwas sehr Schönes. Aber leider auch etwas sehr Seltenes. Um so mehr greift sie ans Herz, wenn sie einem unverhofft entgegentritt und ganz aus der Nähe beobachtet werden kann. Am Dienstag hatten Bonner Journalisten diese Gelegenheit. Sie durften Volker Rühe (CDU), den Verteidigungsminister, und Theo Waigel (CSU), den Finanzminister, auf einem knapp fünfstündigen Besuch in Sarajevo begleiten.
Es gibt ja so viele gemeinsame Erfahrungen, die distanzierte Sympathie zu wahrer Verbundenheit reifen lassen können. Ob Theo Waigel und Volker Rühe wohl der letzte CDU-Parteitag einander nähergebracht hat? Die offizielle Ernennung von Fraktionschef Wolfgang Schäuble zum Kronprinzen des Kanzlers hat beiden nicht so gut gefallen. Volker Rühe hat dazu natürlich nichts gesagt. Sein Freund Theo Waigel aber hat ganz offiziell den Anspruch seiner Partei auf Mitsprache bei der Kandidatenkür betont. Das war wirklich nett von ihm.
Unter guten Freunden ist auch mal eine Frotzelei erlaubt. „Jetzt habe ich natürlich beim Rühe einen Stein im Brett, daß ich eine Viertelstunde auf ihn warte“, scherzt der Finanzminister im Flugzeug. Sein Kabinettskollege hat sich nicht ganz pünktlich von einer Sitzung des Verteidigungsausschusses loseisen können. Als Volker Rühe dann endlich kommt, geht es mit dem launigen Flachs munter weiter: „Theo Waigel ist Profi. Der ist gleich hinten bei den Journalisten“, ruft der Verteidigungsminister.
Ein Profi, in der Tat. Der CSU- Parteitag steht bevor und wird für Theo Waigel nicht nur lustig werden, weil Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber leider kein ganz so guter Freund ist wie Volker Rühe. Da machen sich TV- Bilder gut, die den CSU-Vorsitzenden in Sarajevo zeigen. Dialog zwischen Betreuern der mitreisenden Medien: „Wie viele haben wir?“ – „Was?“ – „Journalisten.“ – „46“ – „Dann sind aber zwei von der Liste gestrichen.“ – „Aber vor Ort kriegen wir noch welche.“ Der Chefredakteur des Bayernkurier muß nicht hinten beim Fußvolk sitzen. Er nimmt vorne in der Ministerkabine Platz.
Nach der Landung geht's in zwei Pressebussen zum ersten Drehort. Er liegt auf dem Patrouillenweg der internationalen SFOR-Truppen. Von einer Paßstraße aus ist die Ortschaft Jasen zu sehen, die während des Krieges von serbischen Truppen geplündert und zerstört wurde und heute verlassen ist. Unterwegs überholen die Busse die beiden Minister, die Seite an Seite versonnen über ein Feld blicken. Was sehen sie da bloß? Ach ja, in der Pressemappe steht's: bogomilische Grabsteine aus dem 13. Jahrhundert. In der Mappe steht zum Glück auch, was das Bogomilentum war: eine vom 10. bis 15. Jahrhundert auf dem Balkan verbreitete christliche Religion.
An der Paßstraße, die hinauf zu den Sportstätten der Olympischen Winterspiele von 1984 führt, werden die Journalisten in Position gestellt. „Kameraleute, mal eben herhören. Seid ihr fertig?“ Schallendes Gelächter. Allmählich wird's selbst denen ein bißchen zuviel, die im Bereich politischer Imagepflege schon manches mitgemacht haben. „Nein, wirklich, wir müssen das den Ministern sagen, damit sie abrücken können. Die stehen nämlich noch.“
Dann fahren die Minister los. Volker Rühe und Theo Waigel obenauf im Panzer. Kleiner Regiefehler: Eine Signallampe vorne auf dem „Fuchs“-Panzer verdeckt einen Teil der Gesichter und stört das Bild. Bis zur Abfahrt wird sie abgeschraubt. In der Zwischenzeit geben die Minister Interviews. Theo Waigel zeigt sich „unglaublich beeindruckt von dem, was unsere Soldaten hier leisten“.
Der Finanzminister kann Informationen in Rekordzeit sammeln und verarbeiten. Seit der Landung in Sarajevo sind gerade fünfzig Minuten vergangen. „Mich berührt das hier in einer ganz besonderen Weise“, sagt Waigel. Im Winter 1984 sei seine Frau, die Skifahrerin Irene Epple, hier Olympiateilnehmerin gewesen. „Genau die Strecke hier führte zum Abfahrtslauf.“
Es hat geschneit. Ein zarter weißer Schleier liegt über dem herbstlichen Wald. Der Himmel ist blau. Eine wunderschöne Szenerie. Leider hat das Wetter auch den eigens planierten Aussichtspunkt in Matsch verwandelt. Deshalb treten die Minister dann lieber nicht bis an den Rand und bekommen auch die Ortschaft Jasen nicht zu sehen. Vielleicht beim nächsten Mal.
Nächster Drehort ist die Ruine eines Mehrfamilienhauses, das von Bundeswehrsoldaten und zivilen Hilfsorganisationen wieder bewohnbar gemacht werden soll. „Böse Zungen behaupten, daß jedes Mal, wenn der Minister kommt, ein neues Haus gebaut wird. Richtig ist, daß er nicht jede Woche kommt.“ Das stand neulich im Keiler, der deutschen Feldzeitung in Sarajevo.
Nun wird die Zeit aber knapp. Im Kinosaal des Feldlagers Rajlovac bitten die Minister noch zur Pressekonferenz. Eine Premiere wird den Medien ins Bewußtsein gerufen: „Ich freue mich sehr, meinen Freund und Kollegen hier als ersten Vorsitzenden einer großen deutschen Partei begrüßen zu können“, sagt Volker Rühe. Helmut Kohl, der enge Freund von Wolfgang Schäuble, ist halt noch nicht hier gewesen. Theo Waigel gibt die Artigkeiten zurück: „Die gute Zusammenarbeit zwischen Verteidigungsminister und Finanzminister hat sich auch hier bewährt.“ Schon vorher hat er in die Mikrophone gesprochen, die Grenze des Sparens beim Etat des Verteidigungsministeriums sei erreicht. Da hat Rühe sich gefreut.
Mit einem kurzen, gemütlichen Beisammensein mit Bundeswehrsoldaten bei Leberkäs und bayerischem Bier, gestiftet vom Finanzminister, geht ein schöner Tag zu Ende. „Ich finde es eine ganz dolle Sache, daß sich der Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland die Zeit genommen hat, um zu den Soldaten nach Bosnien zu kommen. Vielen Dank, Theo“, sagt Volker Rühe am Schluß.
Theo Waigel wendet sich zum Abschied direkt an die Soldaten: „Sie legen Ehre ein: für unser Vaterland, für unsere Nation, für Deutschland.“ Schnitt. Und zurück zum Flugplatz.
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