: Vorauseilender Gehorsam
■ Benzinpreis: Die Grünen trauen ihrem eigenen Programm nicht
Wieviel darf es sein? Vier Mark dreißig, nur vier Mark oder gar fünf Mark? Wie lästige Fliegen umschwirren einen die verschiedenen Benzinpreise, die die Grünen derzeit in die Debatte werfen. Das Kuriose: Eigentlich sind sich die Grünen einig. Auf fünf Mark soll der Spritpreis in zehn Jahren steigen. Die einzige Frage ist, wieviel davon mute ich dem schreckhaften Wähler zu?
Die Debatte um den Umweltschutz ist einer Debatte über die beste PR gewichen. Ein Trauerspiel. Und die PR-Strategie, die von vielen favorisiert wurde, heißt Nebelwerfen. Da steht dann im Programmentwurf für die Bundestagswahl, daß der Benzinpreis bis 2005 unter fünf Mark bleiben soll, anstatt zu schreiben vier Mark, wie es sich leicht aus den angegebenen Erhöhungsschritten von 30 Pfennig pro Jahr errechnen läßt. Die Programmarbeitsgruppe Verkehr der Grünen will am liebsten gar keine Zahl ins Programm schreiben. Dabei steht die bündnisgrüne Position fest, nachzulesen im Bundestagsantrag vom Januar 1996: fünf Mark in zehn Jahren. Über diese Forderung herrscht breiter Konsens. Warum also die Verschleierung? Die Angst ist groß, das Ökosteuerkonzept könne sich nicht richtig vermitteln lassen. In der Presse, so die Klage, kommen dann ja doch nur die nackten fünf Mark rüber, und alle glaubten, die Grünen hängen gleich nach der Wahl neue Schilder an die Tankstellen. Ein schwaches Argument. Wo, wenn nicht in ihrem eigenen Wahlprogramm, hätten die Grünen die Möglichkeit, ihre Positionen zu vermitteln. Es hat eher den Anschein, als wollten sie diese in der Öffentlickeit umstrittene Forderung lieber kleinkochen. Bloß keinem weh tun. Und so ist dieser Punkt nur ein Symptom für ein Umweltschutzprogramm ohne Selbstbewußtsein, das in vorauseilendem Gehorsam alle Maßnahmen daran mißt, wie viele Jobs sie bringen. Eigentlich schade. Dabei nutzt das Versteckspiel nichts. Die zweiwöchige Hängepartie um den Spritpreis hat den Grünen mehr geschadet als genutzt. Trittin und Fischer haben das erkannt und inzwischen wieder die fünf Mark als Ziel genannt, so, als wenn nichts gewesen wäre.
Oder darf's ein bißchen mehr sein? Der Benzinpreis muß auf über fünf Mark steigen, damit das deutsche Klimaschutzziel erreicht wird, sagt Hans-Jürgen Ewers. Ewers ist kein grüner Fundi, sondern Mitglied im Umweltsachverständigenrat der Bundesregierung. Matthias Urbach
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