: Antworten auf Letzte Fragen
Warum ist das Böse interessanter als das Gute? (25.10. 97)
Im Film ist das ganz einfach: Wenn wir einen bösen Menschen sehen, hoffen wir, daß er sich irgendwann bessert, und diese Entwicklung zu beobachten macht Spaß. Wenn wir aber einen guten sehen und der wird böse, dann ist das nicht so erfrischend.Luke McBain, Regisseur
„Gut“ und „Böse“ sind moralische und damit sinnlose Kategorien. Wir ersetzen sie daher durch „Gut“ und „Schlecht“, im Sinne von „Günstig“ und „Ungünstig“. Außerdem ist das Seltene, Neue interessanter als das Häufige, Bekannte. Nun richten sich die Menschen die Welt nach Möglichkeit so ein, daß sie „funktioniert“, und deshalb tut sie es auch meistens. Die meisten Menschen werden nie bestohlen oder ermordet usw. Darum interessiert es die Menschen, wenn etwas nicht funktioniert. Das Schlechte ist also interessanter, weil das Gute öfter vorkommt.Norbert Wingender, Karlsruhe
Dem Bösen ist generell die Aufmerksamkeit sicher, weil es von dichotomen Wesen wie uns Menschen als Störung einer idealen („guten“) Existenzweise gesehen und erfahren wird. Da dies bereits eine fehlerträchtige Sichtweise sein muß, widersetzt sich das Böse nicht nur vehement, sondern reproduziert sich sogar beim Versuch, es aufzulösen. Daher gleicht das Lösen des Bösen als Problem einer Sisyphusarbeit, solange wir es nicht als Teil des Ganzen verstehen lernen, d.h. es zu lieben. Denn geliebt werden will das Böse. Dies beweist sein bedürftiges Absaugen von Energie via Aufmerksamkeit (Interesse) und Problemlösungsversuchen.Reinhard Vanoni, Augsburg
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Warum bekommt eine Specht keine Gehirnerschütterung, oder bekommt er doch eine? (25.10. 97)
Sie bekommen keine, weil der Schnabel des Spechtes wie auch seine Hirnkapsel mit Bändern quasi „federnd“ gelagert sind, die als Vibrationsdämpfung wirken. Aber interessanter noch ist seine Zunge, die eine verhornte Spitze mit Widerhaken besitzt, um die mühsam erklopften Insekten auch fressen zu können.Christoph Stocker,
Dipl.Ing. Forstwirtschaft
Er bekommt keine. Dem Specht an sich ist das Problem (der drohenden Gehirnerschütterung) durchaus bewußt, weshalb er sein Gehirn zeitweilig auslagert. Hat der Specht erst mal eine vielversprechende Stelle gefunden, so sucht er zügig nach einem geeigneten Ort, um sein Gehirn auszulagern. Dort fliegt er einen „Spechtlooping“, wobei sich die Scharwenzelklappe im hinteren Rachenbereich öffnet und das Gehirn mit einer leichten Drehung herausrutscht. Gerne lagert der Specht sein Gehirn auf pfannenartigen Astgabeln. Gesteuert vom rudimentären Resthirn (erschütterungsresistent), beginnt er nun zu hacken. Dabei kommt es zu einem interessanten Phänomen: Kein Gehirn, keine Erinnerung, der Specht vergißt den Ort, an dem sein ausgelagertes Gehirn liegt! Weil er nicht weiß, was er nun tun soll, hackt der Specht zumeist eine Weile weiter. Doch zum Glück wächst das Spechtrestgehirn schnell nach. Die auf der Astgabel vergessenen Spechtgehirne werden im Herbst vom Wind zu Boden geblasen. Im Volksmund werden sie „Eicheln“ genannt.Matthias Hoffrichter,
Frankfurt am Main
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Warum werden auf Buchrücken die Titel mal so und mal so herum gedruckt? (18.10. 97)
Manche Fragen lassen sich nicht lösen, aber die Probleme damit. Ich stelle meine Bücher so, daß sie alle mit der Schrift von unten nach oben laufen.Hans-Ulrich Niemitz, Leipzig
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Warum heißen in Deutschland die Eiscafés Eisdielen? (18.10. 97)
Weil die klassische Eisdiele, ein schmales Etablissement mit PVC- Boden und Chrom-Kunstlederstühlen, nun wirklich nicht als „Café“ bezeichnet werden kann. Cafés haben bekanntlich Teppichboden und Eichenstühle mit warmer Polsterung.B. Löwe, Lübeck
Die Bezeichnung Eisdiele ist wohl in Analogie zur Tanzdiele zu sehen. Letztere gab es bereits viel früher. Klar ist, daß die Tanzdiele einen großen Raum zum Tanzen meint. Nun kann man für die Eisdiele nicht die Tanzdiele als Bezug nehmen, sondern die Diele als Fußbodenfläche, die einen viel kleineren Raum, eine Art Vorraum in Häusern oder einen kleinen kurzen Flur, bezeichnet. Anfangs waren Eislokale sehr klein, und außer Eis gab es nichts anderes zu kaufen. Andererseits gab es Eiscafés, die Sitzgelegenheiten boten und wo der Gast auch Getränke und Kuchen bestellen konnte. Die kleinen Eislokale wurden oft in kleinen Hausfluren eingerichtet, sozusagen im Vorraum des Hauses, also in der Diele. So scheint der Begriff Eisdiele entstanden zu sein.Franz Simmler,
Professor für Deutsche Sprachwissenschaft, FU Berlin
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Wächst ein Nagel, den man in einen Baum schlägt, mit dem Stamm nach oben, oder wächst der Baum mehr teleskopartig, so daß der Nagel weitestgehend an der gleichen Stelle bleibt? (11.10. 1997)
Nein, nein und nochmals nein! All die obskuren Erklärungen der taz- LeserInnen zeugen doch von einem erbärmlichen Unverstand der menschlichen Kreatur vor den Gesetzen des Kosmos. Denn weder wächst der Nagel mit dem Baum nach oben noch der Stamm quasi um ihn herum, nein, die Erde selbst ist es doch, die einem permanenten Schrumpfungsprozeß unterworfen ist. All die Bäume, Sträucher, Wolkenkratzer auf ihr wachsen doch nur scheinbar in den Himmel.
In Wirklichkeit werden sie durch kontinuierliche Kontraktionen der Erdkruste Stück für Stück ans Tageslicht gequetscht. Streng geheime Infrarotmessungen der Nasa haben zudem ergeben, daß allein für das Empire State Building weitere 937 Stockwerke unter der Erde schlummern. Ähnlich verhält es sich mit all den Bäumen und ihren Nägeln.
Wohin das alles führen wird, wagen nur kühne Zukunftstheoretiker zu erahnen. So datiert eine glaubwürdige Studie das Ende des Erdschrumpfungsprozesses, d.h. die völlige Auflösung der Erde, für den 3. Oktober 2129 und entwirft zugleich das Szenario einer im All freischwebenden Regierung anläßlich der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit, eingerahmt von freischwebenden Bäumen, Sträuchern und Wolkenkratzern.Siegfried Straßner, Fürth
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Wenn mich der Körpergeruch eines anderen stört: Ist dann anzunehmen, daß sich der andere auch an meinem Körpergeruch stört?
Leider nein! Die Natur hat auch hier die einfachste Variante, daß ich dem, der mir stinkt, auch stinke, ausgeschlagen und setzt vielmehr auf Konfliktpotential. Wenn mich der Körpergeruch von Lothar nervt, heißt das nicht, daß die Abbauprodukte meiner Fettsäuren usw. ihm auch auf die Senkel gehen müssen. Oder umgekehrt.
Warum das alles so ist, weiß man noch nicht. Man weiß aber, daß Männer unangenehmer riechen als Frauen. Das hat der anonyme T-Shirt-Test ergeben. Dort haben Männer und Frauen eine Woche lang unter Verzicht auf jegliche Körperhygiene ein T-Shirt getragen und es danach in die Ecke gestellt. Ohne zu wissen, wem die Hemden gehörten, sind Testschnüfflerinnen und Testschnüffler an ihnen vorbeiflaniert. Eindeutiger Befund: Die Shirts der Frauen stanken „angenehmer“. Und das in den Nasen beiderlei Geschlechts. Warum sich Frauen dann überhaupt noch zu Männern hingezogen fühlen, wird zunehmend schleierhaft.Karl Hübner,
(Wissenschafts-)Journalist, Stuhr
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