Spekulanten bedrohen „Eine Welt“

■ SPD-Entwicklungsexperten diskutierten im Bremer Rathaus

Die Sozialdemokraten wollen unter der Regie des Bremer Bürgermeisters Henning Scherf Akzente in der Entwicklungspolitik setzen. Die Mitglieder des SPD-Forums „Eine Welt“, dessen Vorsitzender Scherf ist, haben gestern in Bremen Reformvorschläge für die Struktur der Entwicklungszusammenarbeit verabschiedet. Wichtigste Forderung ist die Aufwertung des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ).

Alle entwicklungspolitischen Aufgaben müßten unter dem Dach eines Ministeriums für nachhaltige Entwicklung konzentriert werden, das auch den Reformstau in der innerdeutschen Politik überwinden helfen soll. In einer Diskussionsveranstaltung am Freitag abend im Bremer Rathaus unterstrichen Entwicklungsexperten, daß Nord-Süd-Zusammenarbeit in Zeiten der Globalisierung vor allem mit Eingriffen in den Industrieländern selbst reagieren müsse.

Der Präsident der Landeszentralbank Hamburg und ehemalige Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Jürgen Krupp, vertrat die Ansicht, nur bei einer Öffnung der Märkte der Industrieländer sei eine Entwicklung im Süden möglich. Versteckter Protektionismus, etwa die Forderung nach einheitlichen Umwelt- und Sozialstandards, sei gefährlich. Es sei eine Illusion zu glauben, so Sozialstaat und Reichtum in Deutschland retten zu können.

Die Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), Margret Mönig-Raane, verlangte eine soziale Weltwirtschaftsordnung. Als Begründung nannte sie die „exorbitanten Gewinnmarge von Banken“und die gigantischen Transfers von Kapital auf den internationalen Finanzmärkten. Man müsse Gewinner und Verlierer der Globalisierung benennen und dürfe sich keineswegs mit dem Hinweis auf ein nebulöses „Kapital“zufriedengeben. Angebliche globale Konkurrenz sei ein „Totschlagsargument“, mit der häufig die Forderungen von Arbeitnehmern abgebügelt werde.

In die gleiche Richtung argumentierte auch der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. Die Internationalisierung der Produktion komme vor allem den Großunternehmen und nicht allen Ländern zugute. Die größte Gefahr sieht Hickel aber in den internationalen Finanzmärkten. Schon jetzt würden nur noch drei bis fünf Prozent der international gehandelten Devisen durch reale Warentransfers gedeckt, der Rest sei Spekulation. Eine Devisenumsatzsteuer könne hier allein in Deutschland 57 Milliarden Mark pro Jahr abschöpfen. Es sei unmöglich , wenn sich alle Unternehmen an einer von der New Yorker Wall Street vorgegebenen Rendite-Erwartung von 25 Prozent orientierten.

Der Duisburger Politologe Franz Nuscheler sagte bei der Diskussion, eine Regulierung der weltweiten Wirtschaft sei sehr wohl möglich und verwies auf die Welthandelsorganisation WTO. Nämlich immer dann, wenn die Regeln im Interesse der führenden Industrieländer lägen. jof