Wohnen im weichen Schummerlicht

Die Leuchte als solche dient schon längst nicht mehr allein der Erhellung eines Raumes. Ihre vornehmste Aufgabe ist es heute, Atmosphäre zu schaffen, alles nebulös zu verhüllen oder einfach Ecken hübsch zu machen  ■ Von Kirsten Niemann

Ein dürrer Aluminium-Stengel auf schwerem Fuß, am oberen Ende prangt ein mageres Häubchen als Blendschutz, kaum größer als die Fassung selbst. Ein Ding, wie es unscheinbarer kaum sein kann, zumindest am Tag. Sobald es dunkel und der Schalter angeknipst wird, verschwindet die Lampe als Objekt sogar völlig. Was bleibt, ist das Licht, gnadenlos und weiß fällt es herab und verschont nicht einmal die Staubkörnchen, die in seinem Schein auf und ab tanzen. Die dimmbare Halogenlampe ist so ziemlich das Häßlichste, was die Designwelt der Achtziger hervorgebracht hat. Selbst wenn sie die einzig konsequente Antwort war auf die piefig- rustikale Lampenschirmgemütlichkeit des Elternhauses.

Seit 30.000 Jahren sieht der Mensch nun zu, daß es hell um ihn wird. „Aber von diesen minimalistischen Lampen haben die Leute die Schnauze voll.“ Das hat zumindest der Lampenhändler Jörg Treppenhauer festgestellt. Seit vierzehn Jahren betreibt er einen kleinen Laden in Kreuzberg mit eigener Werkstatt. Doch am liebsten verkauft er Lampen, die mindestens fünfzig Jahre alt sind. Wie die einfache mundgeblasene Glasschale am kurzen Pendel aus den dreißiger Jahren, die selbst heute wieder als Remake in den Studentenbuden baumelt. Oder die einfache Milchglaskugel, seit den zwanziger Jahren ein Klassiker und heute auch als schlichtes leuchtendes Ei erhältlich. Überhaupt findet der Nostalgiker, daß den Lampendesignern seit den fünfziger Jahren nur wenig Gescheites eingefallen ist. „Alles Moderne hat es vorher schon einmal gegeben.“

So wärmten die sechziger Jahre die Bauhauslampe wieder auf. Die orangefarbenen Ballons der siebziger am verchromten Stab sind in seinen Augen lediglich ein Gag. Selbst die bunt-blubbernde Lavalampe, die der psychedelischen Wirkung wegen besonders bei den Hippies der sechziger Jahre so populär wurde, war am Ende des zweiten Weltkriegs eigentlich als flüssige Sanduhr gedacht.

Während das heimelige Licht bunter Leuchtkörper wieder im Kommen ist, sind nüchterne Funktionalität und Sachlichkeit moderner Designerlampen der achtziger Jahre passé. „Halogen und Neonlampen sind höchstens was für den Arbeitsplatz“, sagt der Experte. Voll im Trend liegen dagegen romantische Designs, die mit der traditionellen Glühbirne zum Leuchten gebracht werden. Die Leuchte von heute dient schließlich nicht mehr allein der Erhellung eines Raumes. Die vornehmste Aufgabe des Lichtes ist es, Atmosphäre zu schaffen und die Dinge um einen herum nebulös zu halten.

„Die Hälfte aller Lampen werden gekauft, um irgendwelche Ecken hübsch zu machen“, meint Treppenhauer. Die Lampe als Kunstwerk, das gab's schon einmal: In Treppenhauers Laden leuchten die kuriosesten Lampen um die Wette. Die meisten sind etwa hundert Jahre alt und dabei mehr Objekt als praktischer Hausrat. Wie die illuminierbare Schildkröte mit ihrem bunten und bleiverglasten Panzer. Daneben steht ein Tiffany- Pilz – zum Schularbeiten machen oder Kartoffelschälen gänzlich ungeeignet. Genau wie die Glasschalenlampen der Gründerzeit, an deren matt-bunten Schirmchen etwa hundert zierliche Glasperlen- Schnürchen wie geflochtene Haare herabhängen. Oder die Statuette eines spärlich bekleideten Jünglings, der am ausgestreckten Arm eine leuchtende Milchglaskugel hält. Selbst der auf so angenehme Weise modern wirkende Art deco präsentiert sein Licht wohlmeinend diffus. „Ein Klassiker“, weiß Treppenhauer. Auch die Pendelleuchte mit Schusterschirm aus emailliertem Glas ist ein Stück, das heute wieder modern anmutet. Oder die schlichte Milchglaskugel – seit den zwanziger Jahren quasi unverzichtbar für Küche, Bad oder als Treppenhausleuchte.

Dem aufwendigen Handwerk der Jahrhundertwende setzt man heute unerschrocken Nippes entgegen: Die Lichterkette aus bunten Plastikelementen glüht längst nicht mehr nur in der Vorweihnachtszeit, sondern ständig. Genau wie diese leuchtenden Gummibärchen, die man jetzt überall sieht, oder die knuffigen Ost-Ampelmännchen. Seit den frühen Siebzigern verpönt, kommt seit einiger Zeit selbst die Lavalampe wieder voll zum Einsatz. Im vergangenen Jahr machte die Firma Mathmos damit einen Umsatz von 21 Millionen Mark. Allein in Europa wanderten mehr als eine halbe Million dieser schummerigen Funzeln über den Ladentisch.

Unter den Besserverdienenden wird die Lampe sogar zum Kunstobjekt. Selten war sie so zweckentfremdet wie heute: Buntes Licht erzeugt Wohnlichkeit. Die Lampe hüllt Bewohner samt Mobiliar in ein behaglich weiches Schummerlicht. Ein schönes Halbdunkel schafft sanfte Konturen und schmeichelt selbst dem abgespanntesten Teint. Und was wäre dazu besser geeignet als der gute alte Lampenschirm? Ob aus Glas, Metall, Stoff oder Papier – selbst Lampendesigner, die vor fünfzehn Jahren noch die minimalistische Lösung vertreten haben, kommen heute wieder auf Schirm und Birne. Für die kitschigen Lumibärchen wird in spätestens einem halben Jahr höchstens auf dem Gästeklo ein Eckchen frei sein. Doch auch wenn Sie sich in drei Jahren für ihre geschmackliche Entgleisung schämen sollen, geben Sie sie auf gar keinen Fall zum Sperrmüll: Das nächste Revival ist sicher.