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: Kontrastprogramm

Zwischen gestern und morgen, Sa., 20.15 Uhr, Südwest 3, N 3, ORB, WDR 3

Man wußte, daß es kommen würde. Trotzdem war es ein Bangen und Zagen, bis sich endlich die Anspannung löste. Da zog es über den Bildschirm und prunkte so stolz und trotzig wie eh und je: „Die nachfolgenden Sendungen beginnen ca. 30 Minuten später.“ Hans-Joachim Kulenkampff ist wieder auf Sendung und pflegt seine Markenzeichen: die Bühne mit der Zentralperspektive, die ihn in den Mittelpunkt rückt, Sätze wie „Ich muß Ihnen eine kleine Geschichte erzählen“, und die aus der Vielzahl dieser kleinen Geschichten resultierende massive Überziehung der Sendezeit. In den 60ern empfand man es nahezu erfrischend, daß sich dieser Mensch um die sprichwörtliche deutsche Pünktlichkeit und die ihm übergeordneten Autoritäten so herzlich wenig scherte. Und das ist heute wieder so, da allenthalben auf die Minute abgerechnet wird.

So kam an diesem Abend tatsächlich einmal ein Kontrastprogramm zustande, ein bedächtiges, aber deswegen nicht zwangsläufig langweiliges Gesprächsquiz, das zum Ziele hat, Generationen und Geschlechter miteinander ins Gespräch zu bringen und das ablaufende Jahrhundert Revue passieren zu lassen. Dabei wird der Wettstreit zur Nebensache; es geht so gemütlich zu wie einst bei Kulis „Feuerabend". Der Gast- und Ideengeber ist selbst ein Zeuge des Jahrhunderts und, verglichen mit seinen Glanzzeiten, vermindert geistesgegenwärtig – aber nicht -abwesend. Es dauert schon mal, bis ihm eins seiner Bonmots über die Lippen kommt. Wer aber über die marktgerechte Apotheose des Zustands Jugend sowie hochgradig beschleunigte Fernsehprogramme sich beklagt, kann eigentlich über diese Sendereihe nicht meckern. Harald Keller