Sammeln für das „Daß“

■ Niedersächsische Landesregierung läßt Volksbegehren gegen Rechtschreibreform zu

Hannover (taz) – Die Gegner der Rechtschreibreform in Niedersachsen können weiter Unterschriften sammeln. Das Landeskabinett hat gestern das Volksbegehren der Initiative „WIR gegen die Rechtschreibreform“ zugelassen. Die Verteidiger der alten Schreibregeln haben nun noch ein halbes Jahr Zeit, um die für ihr Begehren erforderlichen 580.000 Unterschriften zusammenzubekommen. Dann muß der Landtag in Hannover über das Volksbegehren entscheiden, mit dem per Gesetz die „allgemein übliche Rechtschreibung“ im Schulgesetz verankert werden soll. Falls der Vorschlag abgelehnt wird, muß es binnen eines halben Jahres zum Volksentscheid über die korrekte Schreibweise kommen.

Der niedersächsischen Initiative „WIR gegen die Rechtschreibreform“ liegen nach eigenen Angaben bereits jetzt 320.000 Unterschriften gegen die neuen Schreibregeln vor. Diese Unterschriften müßten allerdings größtenteils noch von den Gemeinden geprüft werden, sagte gestern ein Sprecher der Initiative. Anders als etwa in Schleswig-Holstein, wo seit vergangenem Samstag ebenfalls ein Volksbegehren für die alte Schreibweise läuft, zählen in Niedersachsen die vor der Zulassung gesammelten Unterschriften bei der Auszählung des Volksbegehrens mit.

Das Landeskabinett hatte nach Angaben eines Regierungssprechers bei seiner gestrigen Zulassungsentscheidung nur zu prüfen, ob die formellen Voraussetzungen für ein Volksbegehren vorliegen. Nach der niedersächsischen Verfassung muß einem Volksbegehren ein ausgearbeiteter und begründeter Gesetzentwurf zugrunde liegen, und es darf nicht den Landeshaushalt belasten. Die für die Zulassung des Volksbegehrens notwendigen 25.000 geprüften Unterschriften stapelten sich bereits seit Mitte September beim Landeswahlleiter in Hannover.

Auch in den Ländern Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen sammeln gegenwärtig die Verteidiger der alten Schreibweise Unterschriften, um noch drei weitere Volksbegehren auf den Weg zu bringen. In Sachsen, das trotz Urteils des Oberverwaltunggerichts Bautzen gegen die neuen Regeln an der Reform festhält, rufen die Reformgegner jetzt zu möglichst vielen Nachfolgeklagen auf.

Unterdessen hat Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) sich erneut für eine Revision der Rechtschreibreform eingesetzt und den Befürwortern der Neuregelung „falschen Reformeifer“ vorgehalten. „Wenn drei Viertel der Bürger in Deutschland und zunehmend auch im Ausland gegen die Reform sind, dann kann man den Willen der Bevölkerung nicht einfach beseite wischen, sondern dann muß man sich korrigieren“, sagte Kinkel gestern. Jürgen Voges