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Die Leinwand küßt zurück

■ Die Gruppe „Molokino“gastiert im Golden Pudels Club

Jeder Junkie träumt einmal davon, auszusteigen und Schluß zu machen mit der Droge. Warum sollte es da TV-Junkies anders ergehen? Für die vier französischen Filmemacher, die unter dem Namen Molokino auftreten, ist die Glotze Symbol absoluter Passivität. Als Protest gegen die „vorproduzierte Wirklichkeit“begannen sie vor fünf Jahren, ihre eigenen Filme zu drehen, ohne Auftraggeber und Produzent, mit nichts als ihren privaten Utensilien und einer Super-8-Kamera. In dem Pariser Café „Moloko“zeigten sie ihre ersten Projekte und wurden dort mit ihrem eigenwillig-experimentellen Stil rasch zur festen Institution. Je nach Veranstaltungsort, Galerie oder Bordell, verändert sich ihre Performance. Architektur, Farben, Besucher, all dies spielt eine Rolle, und so wird schon einmal die Decke oder auch der Betrachter zur Projektionsfläche. Ihr Konzept nennen sie „expanded cinema“, und das kann sehr unterschiedlich ausfallen: In weiße Laken gehüllte Körper, die sich zwischen Projektor und Leinwand bewegen, verleihen der Filmprojektion ständig wechselnde Konturen. Ein gutes Beispiel für ihre Arbeitsweise ist der Film Ecran nacre. Das Filmgeschehen wird gekoppelt an die Aktionen eines Darstellers vor der Leinwand. Der klopft an eine Filmtür, und sie wird geöffnet. Er hält seine Wange zum Begrüßungskuß hin und bekommt von der Leinwand, worum er bat. Die Vertonungen finden stets vor Ort live statt und werden von den Mitgliedern der Gruppe selbst kreiert. Entweder bringt Cécile Bortoletti eine Kassette mit, oder aber Agathe Villovitch jault und jammert zu den Bildern. Vielleicht gibt aber auch David TV dem Zufall eine akustische Chance, indem er an seinem Kofferradio herumspielt. Es kommt aber auch vor, daß Héléna Villovitch auf ihren Kinder-Musikinstrumenten spielt. Ganz gleich, was zu hören ist, eins steht fest: Noch nie war es so wie heute, und nie mehr wird es so sein. Joachim Dicks

heute abend, 23 Uhr, Golden Pudels Club

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