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„Sindbad! Sindbad!!“

■ Noch mal Weihnachtsmärchen: Waldau-Theater schwört auf 1001-Nacht-Geschichten

Sie glaubt nicht, was in der Zeitung steht. „Oft bin ich gar nicht einverstanden mit der Kritik“, sagt – nennen wir sie – Henriette Meier. Die Gröpelingerin ist Großmutter eines 16jährigen Enkels und seit Sommer Witwe. Ein Foto ihres Mannes trägt sie in der Brieftasche. „Ich gehe jetzt allein weiter ins Theater – das stärkt.“

Immer hierhin? „Ja, immer hierhin, am liebsten nachmittags. Die machen das gut: Die bieten hier was für die nachwachsende Generation und für uns Ältere.“Und dennoch: Zur Zielgruppe gehört sie an diesem Morgen nicht, an diesem Donnerstag, 9 Uhr, dem Premierentag des Weihnachtsmärchens „Sindbad der Seefahrer“im Waldau-Theater.

Die Zielgruppe ist artig. Auf den ersten Blick. In Zweierreihen stehen die Sieben- bis Zehnjährigen aus Rotenburg/Wümme, Oldenburg und teilweise Bremen vor dem Eingang und bilden lange Schlangen. Yvonne, Malte, Lucca, und wieder eine Generation, die im Waldau-Theater zum ersten Mal den Bühnenvorhang aufgehen sieht. Rund 60.000 Kids haben bis zum 23. Dezember und dann wieder im Januar bei „Sindbad“und „Frau Holle“bis zu viermal täglich Gelegenheit dazu. „Der Besuch des Weihnachtsmärchens war für meine beiden Kinder eine Belohnung für ein Jahr artig sein“, sagt Henriette Meier.

Sindbad ist Sindbad ist Sindbad. Ein trottellieber Sultan im bunten Bagdad, ein böser Zauberer aus den Bergen, der tapfere Held und Shalima, die Prinzessin, die sich mit der Rose der Hoffnung, dem Wasser des Lebens und dem Ring der Treue ins happy end entführen läßt: Im Waldau-Theater ist auch Märchen drin, wo Märchen draufsteht. „Die neueren Märchen mag ich nicht so“, sagt Henriette Meier.

Die Zielgruppe mit ihrer Rennschwein-Rudi-Rüssel-Erfahrung ist da etwas offener. „Sindbad! Sindbad!“, feuert sie ihren Helden im fünfhundertstimmigen Chor beim Fechtkampf an. „Da lang! Da gehts raus“, schreit sie ihm ohrenbetäubend den Ausweg aus dem Labyrinth entgegen und läßt sich willig auf jede Verführung ein. Routiniert in jeder Hinsicht erteilt Bernd Poppes Inszenierung bald die Lizenz zum Schreien und hat bald die Macht zum Fesseln – nur selten müssen die 13 Akteure aus dem Waldau-Ensemble mit „pssst, pssst“eingreifen.

Egal, wer nicht hören will, kann ja gucken – gucken auf einen für Waldau-Verhältnisse geradezu opulenten Bühnenbilderwechsel: Da schieben sich Felsen auf die Bühne, da dampft der Theaternebel, da blitzt die Pyrotechnik, da wachsen Blumen aus dem Bühnenboden oder stürzen Bösewichte hinab, und da schlüpft schließlich noch die schwarze Schwester vom Vogel Tilly aus einem Riesenei. Das Fachpublikum staunt Ah's und Oh's und verlangt endlich nach Zugaben. Auch Henriette Meier weiß: „Das ist mit richtig viel Liebe gemacht“. Kaum zu glauben.

Christoph Köster

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