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Grüße aus der Warenwelt

Die DDR ist wieder in. Zumindest was ihre Hinterlassenschaften anbelangt. Zur Zeit laufen gleich zwei Ausstellungen in der Kulturbrauerei, in denen DDR-Alltagsgeschichte nachgespürt wird. Unzählige Bücher sind auf dem Markt, ein Kartenspiel rät zu „Kost the Ost“, in Museen ostdeutscher Kleinstädte sind ganze Dorfkonsums nachgebaut. (N)Ostalgie der netten Art.

Die DDR war keine Mangel-, sondern eine Bedarfsgesellschaft. Der Plan legte fest, wie viele Tempolinsen unters Volk zu bringen waren. Gleiches galt für Schokolade oder Ohrtupfer. Natürlich galt: Nur wer auf der Einkaufsjagd Glück hatte, konnte eine Packung nach Hause tragen. Die der Ohrtupfer bestand aus Pappe, war in Blau gehalten und barg 125 Stück. EVP: 3,90 Mark. EVP stand für Endverbraucherpreis. Und der Endverbraucher sollte genau wissen, was er da kauft. Der Kunde (der nicht König war) sollte wenigstens korrekte Verbraucherinformationen erhalten. Nicht mehr und nicht weniger. Den Namen des Produktes, den Verwendungszweck und den Preis. Keine Spur von Werbebotschaften. Für die Hersteller zählte der Inhalt, nicht die Form. Sachlich, klar, nüchtern, farbig, manchmal auch farblos kamen die Hüllen der Produkte daher. Und öfter unfreiwillig komisch. So wie die Verpackung der Papiertaschentücher. „Für alle Fälle“ heißt es da. Nur, in den meisten Fällen waren die billigen Rotzabputzer ausverkauft.

Heute genießen die schlichten Verpackungen Kultstatus. Die Macher des „Kost the Ost“-Spiels karten jetzt nach. 30 aufschlußreiche Ansichten zur Konsumgeschichte des Ostens haben Tobias Stregel und Fabian Tweder zusammengetragen. Daraus ist ein lustiges Postkartenbüchlein geworden, das unter dem Titel „Gut gekauft – gern gekauft“ (12,90 DM) bei Elefanten Press erschienen ist. Der Goldbroiler, das Trockenmilchpulver „babysan“ oder „bambina“, die „gefüllte Schokolade mit viiel Milch“, sind nicht nur Stationen einer Reise in die DDR-Vergangengheit, sondern auch Belege einer versunkenen Konsum- und Alltagswelt, die es zu bewahren lohnt. Andreas Hergeth

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