: Stiftung für ehemalige Zwangsarbeiter
■ Bündnis 90/Die Grünen schlagen eine Stiftung zur Entschädigung früherer Zwangsarbeiter vor. Betroffene Firmen sollen sich beteiligen
Bonn (epd) – Eine Bundesstiftung zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter unter der nationalsozialistischen Herrschaft soll nach dem Willen der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen gebildet werden. Dies sieht ein Antrag vor, den die Grünen einen Tag nach der Entscheidung des Bonner Landgerichts über die Klage von 22 jüdischen Zwangsarbeiterinnen am Donnerstag im Bundestag einbrachten. Auch die SPD befürwortet eine Stiftung zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter.
Ohne rasches politisches Handeln greife die „biologische Lösung“, sagte der rechtspolitische Sprecher Volker Beck mit Hinweis auf das hohe Alter der Betroffenen. Zwangsarbeit sei ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, Entschädigung der Opfer deshalb moralisch geboten.
Ehemalige Zwangsarbeiter, die in Deutschland oder dem westlichen Ausland wohnen, sollen nach dem Vorschlag der Grünen als Ausgleich für entgangene Löhne einmalig 5.000 Mark erhalten, wenn sie mindestens ein Jahr zur Zwangsarbeit in der Industrie verpflichtet waren. Zwangsarbeit unter den Bedingungen eines Konzentrationslagers soll mit 10.000 Mark entschädigt werden. Für Zwangsarbeiter, die in der Landwirtschaft eingesetzt waren, wird eine symbolischer Betrag von 500 bis 1.000 Mark gefordert. Die Zahlung an überlebende Opfer in Osteuropa soll sich nach den Lebenshaltungskosten und Leistungen aus bestehenden Stiftungen in diesen Staaten richten. Vorrangig sollen Personen entschädigt werden, die bereits 75 Jahre und älter sind.
Die Mittel für die Stiftung sollen den Grünen zufolge vom Bund und Unternehmen aufgebracht werden, die während des Zweiten Weltkriegs Zwangsarbeiter beschäftigten. Als ehemaliger Nutznießer müsse sich die Industrie an der individuellen Entschädigung beteiligen, heißt es zur Begründung. Skandalös nannte Beck Darstellungen der Firmen, sie seien zur Beschäftigung von Zwangsarbeitern gezwungen worden.
Schätzungen zufolge leben derzeit noch mehr als eine Million früherer Zwangsarbeiter, zumeist in Osteuropa. Eine Entschädigung könne etwa die Hälfte beanspruchen, schätzte Beck. Für die Stiftung seien deshalb von Staat und Wirtschaft „mehrere hundert Millionen Mark“ aufzubringen.
Ehemalige polnische Zwangsarbeiter haben das Urteil des Bonner Landgerichts, das einer jüdischen Zwangsarbeiterin eine Entschädigung zuerkannt hatte, begrüßt. „Dieser Richterspruch hat eine gute Grundlage für Entschädigungsklagen für polnische Zwangsarbeiter geschaffen“, sagte der Vorsitzende des „Verbandes der durch das Dritte Reich geschädigten Polen“, Miroslaw Podsiadlo. Das Urteil habe bestätigt, daß das „Recht der früheren Sklavenarbeiter auf eine gerechte Entschädigung nicht verjährt“ sei, so Podsiadlo.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen