■ Querspalte: Heimwerker im Weltall
Handwerk hat goldenen Boden, nur nicht im All. Da wird jede Handbewegung des russischen Weltraumklempners Anatoli Solowjow analysiert, jedes Problemchen wird zur Panne. Nun hat er gestern schon souverän das neue Sonnensegel angebracht und in Gang gesetzt, doch aus dem Radio dröhnt es schon wieder: „Panne beim Entfalten des Sonnensegels“, und am Ende sei dann Solowjew nur noch mit letzter Atemluft wieder zurückgekommen, weil es ja auch noch diesen Defekt in der Schleuse gibt.
Nein, im All hat alles perfekt zu sein. Hat nicht Scotty die Enterprise auch im größten Schlachtgetümmel immer gleich wieder hingekriegt? Nein, im All regiert die Technik und komisch, trotz schmelzender Reaktorkerne oder umkippender A-Klasse-Autos – irgendwie glauben immer noch alle: Dank moderner Technik muß alles perfekt laufen.
Tief in uns schlummert noch immer der alte Machbarkeitswahn der Moderne, den keiner so gut verkörpert wie Papi, wenn er in der Küche steht und stolz verkündet: „Einen neuen Abfluß verlegen, ist nun wirklich kein Problem.“ Am Ende steht er bis zu den Knöcheln im Abwasser und ruft den Klempner. Wer aber dem Vater nun menschliches Versagen vorwirft und auf die tolle Sanitärtechnik verweist, sei gewarnt. Auch der gerufene Handwerksprofi weiß um die Natur der Technik und knurrt nur, wenn man ihm die richtigen Handgriffe abschauen will: „Haben Sie nichts zu erledigen?“
Vielleicht liegt genau da das Problem: Würde all die Redakteure einmal ihrem Klempner bei der Arbeit zusehen, die Fehler zählen und die Zeit berechnen, die sie länger brauchen als geplant, weil das verdammte Rohr nicht paßt oder die dämlich Rohrschelle aufreißt, dann sähen sie sicher viel wohlwollender auf die russische Raumstation. Denn die Kosmonauten haben es viel schwerer. Man stelle sich vor, der Klempner müßte mit einem Raumanzug in die Küche und machte die Reparatur zum erstenmal: Wer würde da seinen Abfluß nicht lieber lecken lassen? Matthias Urbach
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