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Zerstörer der Utopie

■ Der politische Philosoph Isaiah Berlin ist in Oxford im Alter von 88 Jahren gestorben

„Was wir brauchen“, sagte Sir Isaiah Berlin, „ist eine pragmatische Skepsis, wie Montaigne sie gelehrt hat, und einen freien Pluralismus, den schon Herder im Sinn hatte: nämlich die Besonderheiten der Nationen zu achten und innerhalb der Gesellschaft die Minoritäten zu tolerieren.“ Skeptischer Aufklärer, fulminanter Ideenhistoriker und humanistischer Kosmopolit – das war der Philosoph Isaiah Berlin, der am Mittwoch abend mit 88 Jahren in Oxford gestorben ist.

Berlin wurde am 6. Juni 1909 in Riga als Sohn eines Holzhändlers geboren. 1915 übersiedelte die Familie nach Petersburg. Als Kind erlebte er dort die liberale Februarrevolution und die bolschewistische Oktoberrevolution – Erfahrungen, die ihn prägten und die er als „Prophylaxe gegen Marxismus“ verstand. 1919 wanderte er nach Großbritannien aus. Er studierte in Oxford Philosophie. Ab 1938 lehrte er Sozialtheorie und Politische Theorie.

In Deutschland entdeckte man ihn spät. Wahrscheinlich mußten erst die ideologischen Verkrustungen der Blockkonfrontation überwunden werden, ehe man sich dem liberalen Totalitarismustheoretiker nähern mochte, der Marx' Kapitalismuskritik als „prophetisch“ würdigte, den Beglückungszwang des Marxismus jedoch verwarf und der Sowjetunion mißtraute. Seine 1969 erschienenen Essays „Freiheit. Vier Versuche“, in denen er sich mit der Rolle politischer Ideen im 20. Jahrhundert beschäftigt und die Zerstörung der Utopie als heilsames Resultat dieser Epoche betrachtet, wurden hier erst 1993 veröffentlicht, stießen dann aber auf euphorische Zustimmung. Le Monde schrieb über Isaiah Berlin: „Künftige Generationen werden ihn als einen der letzten Repräsentanten des europäischen Geistes erkennen.“ Jörg Magenau

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