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Mit Marx gegen Globalisierung

Auf dem IG-Metall-Kongreß „Visionen lohnen“ rechnet ihr Vorsitzender Klaus Zwickel grundsätzlich mit Realität und Mythos der Globalisierung ab  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

„Der Triumph des Kapitalismus und die Tragödie der Arbeitslosigkeit sind keine Gespenster, und sie gehen nicht nur in Europa um.“ Mit diesen Worten, die den ersten Satz des Kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels varieren, begann der IG- Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel gestern in Hannover eine Grundsatzrede, die Weg zu einer „Sozialökonomischen Reformstrategie angesichts der Globalisierung“ weisen sollte. In den Augen von Zwickel gibt es gegenwärtig „keine globale Produktionskrise“ und „in Deutschland auch keine Wettbewerbskrise“, dafür aber „eine sich zuspitzende Beschäftigunsgkrise“, einen „Widerspruch zwischen wirtschaftlichen Aufschwung und sozialem Niedergang“.

In seiner Rede zum Auftakt des Kongresses „Vision lohnen“, den die IG Metall zum Gedenken an ihren langjährigen Vorsitzenden Otto Brenner veranstaltet, sah Klaus Zwickel durch diesen Widerspruch „den sozialen Zusammenhalt der Zivilgesellschaft ausgehöhlt“ und „die Demokratie letztlich gefährdet“.

Die Globalisierung bezeichnete der Gewerkschaftsvorsitzende gleichermaßen als „Realität und Mythos“. Real sei die weltweite Expansion der Handels- und Produktionsbeziehungen. Ein Mythos sei aber die Propaganda vom Sachzwang. Ein Mythos sei es, daß die Handlungsmöglichkeiten durch die Globalisierung verloren gingen. Dabei bekamen in der Grundsatzrede sowohl der Präsident Bundesverband der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, als auch die Linken ihr Fett ab: Dem BDI warf Zickel vor, nicht an der Überwindung der Arbeitslosigkeit interessiert zu sein. Henkel gehöre zu jenem Teil der Neokonservativen, der „die Beschäftigungskrise will, um alle Arbeitnehmer und die Politik zu erpressen“. Viele Anhänger der Linken würden angesichts der kapitalistischen Modernisierung „zwischen einem dogmatischen Beharren auf altgewordenen Wahrheiten sowie eine letztlich neoliberal orientierten Modernitätsgerede schwanken“.

Die „sozialökologische Reformstrategie“, die einen Ausweg aus Globalisierung und Beschäftigungskrise bereiten soll, skizzierte Zwickel allerdings nur holzschnittartig. Für seine Gewerkschaft kündigte er an, sich „dem Diktat der kapitalistischen Ökonomie nicht zu beugen“ und statt dessen „für den Vorrang einer demokratischen Politik zu streiten“. Erneut verlangte der Gewerkschaftsvorsitzende eine Lohnpolitikpolitk, die „sich nicht der betriebswirtschaftlichen Kostenlogik unterordnet, sondern dem gesamtwirtschaftlichen Kaufkraftargument folgt“. Unternehmenspolitik dürfe sich nicht an kurzfristigen Aktionärsinteressen ausrichten, sondern müsse sich an langfristigen Interessen von Arbeitnehmern und der Allgemeinheit orientieren. Dabei sollen die Gewerkschaften „aktiv die Architektur einer neuen Arbeitsgesellschaft gestalten“.

Natürlich stritt Zwickel wiederum für „ein neues Bündnis für Arbeit von unabhängigen Gewerkschaften, reformwilligen Arbeitgebern und reformfähiger Politik“ und für eine „Wochenarbeitszeit von 32 Stunden“. Angesichts der materiellen Sorgen der Beschäftigten könne man bei einer stufenweisen weiteren Verkürzung der Arbeitszeit aber auf den vollen Lohnausgleich nicht verzichten.

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