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Kein Brot in Santa Fu

Gefangene im Knast Am Hasenberge streiken, weil die Gefängnisleitung sie seit einer Woche zwei Stunden länger einsperrt als vorher  ■ Von Judith Weber

Die Bäcker meiden den Ofen, die Maler bleiben im Bett und die Schlosser melden sich krank: Rund die Hälfte der Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt Am Hasenberge haben gestern nicht gearbeitet; wann sie ihre Jobs wieder aufnehmen, ist unklar. Die Knackies protestierten damit gegen die Gefängnisleitung. Seit einer Woche sperrt die ihre Gefangenen täglich zwei Stunden länger ein als zuvor – eine Reaktion auf Messerstechereien und Prügeleien.

Am Dienstag vor einer Woche, dem 4. November, hatte ein Ge-fangener einem anderen ein Kartoffelmesser in die Rippen gerammt – dreimal hintereinander, „ein Mordversuch“, meint die Polizei. Knastleiter Jobst Poenighausen ließ daraufhin alle Gefangenen in ihre Zellen sperren. Als die MitarbeiterInnen nach drei Stunden wieder aufschlossen, prügelten sich die Männer erneut. Schon im September hatte ein Gefangener Am Hasenberge versucht, einen anderen mit Rasierklingen umzubringen. „Solche Vorfälle können den Strafvollzug nicht unberührt lassen“, geißelte gestern Noch-Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem das „explosive Binnenklima“in Hamburgs Knästen. Am Hasenberge gab es in diesem Jahr fast doppelt so viele Prügeleien und andere Gewalttaten wie 1996, erklärte der Senator – und nickte die Entscheidung Poenighausens ab, die Gefangenen vorerst zwei Stunden weniger pro Tag aus den Zellen auf die Flure zu lassen als zuvor, „bis sich eine andere Lösung findet.

Zwei Stunden (am Wochenende vier) dauert nämlich die Besuchszeit, in der viele Knastangestellte damit beschäftigt sind, Freunde und Verwandte der Knackies durch die JVA zu schleusen und sie nach Drogen zu durchsuchen. In dieser Zeit können sie sich kaum um die Männer auf den Stationen kümmern. Statt fünf 1/4 Stunden können die Knackies damit nur noch drei 1/4 Stunden täglich den Tischtennis- und den Gemeinschaftsraum nutzen. Der Flurarrest „ist keine Maßnahme der Repression“, sondern von Sicherheit, beteuerte Hoffmann-Riem. Wer redet da von Sippenhaft? „Die Frage ist, ob die Gefangenen verstehen, daß es zu ihrem Schutz ist.“Gestern verstanden sie es nicht. 200 der 525 Knackies meldeten sich krank. Rund 50 von ihnen hatten Grippe, die anderen streikten – und blieben in ihren Zellen eingesperrt, damit die Revoluzzer-Idee sich nicht ausweite.

Daß die Männer nicht immer in ihren Räumen bleiben können, ist auch der Gefängnisleitung klar. Sie will nun mit der Insassenvertretung verhandeln. Zu spät, meint Manfred Mahr, GAL-Abgeordneter der Bürgerschaft. „An der Situation kann man ablesen, wie wichtig es ist, daß die Interessen der Gefangenen regelmäßig gehört werden.“Hoffmann-Riem wird diese Aufgabe vermutlich seiner Nachfolgerin überlassen: Die neue Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit tritt heute nachmittag ihr Amt an.

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