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CSU opponiert geschlossen gegen die CDU

Die Christsozialen lehnen eine auf 1998 vorgezogene Rentenreform ab. Sie haben noch die Wahl zu gewinnen  ■ Von Severin Weiland

Berlin (taz) -Bei der Frage, wie der Rentenbeitragsatz von 21 Prozent 1998 doch noch abgesenkt werden kann, verschieben sich die Fronten. Nun ist es die CSU, welche die der FDP vorbehaltene Rolle als Quertreiberin eingenommen hat und sich jetzt mit der CDU anlegt. Bei der gestrigen Sitzung der Fraktionschefs der Koalition lehnten Vertreter der CSU ein Vorziehen der Rentenreform ab.

Am Montag hatte der CDU- Bundesvorstand beschloßen, der FDP entgegenzukommen und mit der Rentenreform schon 1998 zu beginnen und zugleich die notwendigen Zuschüsse in die Rentenkasse durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um ein Prozent in die Wege zu leiten. Am deutlichsten formulierte gestern der CSU- Fraktionschef im bayerischen Landtag, Alois Glück, die Vorbehalte seiner Partei. Eine vorgezogene Reform hätte kaum Auswirkungen auf den Rentenbeitragssatz, zum anderen schade der ständige Positionswechsel der Koalition.

Daß nur minimale Einsparungen möglich sind, hatte kürzlich der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Julius Louven, bestätigt. Der Beitragssatz ließe sich durch eine vorgezogene Reform lediglich auf 20,9 Prozent drücken - immerhin wäre damit die psychologisch verheerende Rekordmarke vermieden. Wie hektisch die Koalition in Sachen Rentenreform reagiert, wird im Rückblick deutlich: Noch bei der ersten Lesung des neuen Rentengesetzes vor der Sommerpause hatte sie auf die Einführung 1999 beharrt. Erst dann sollte – auch durch den Einbau einer demographischen Formel in die Rentenberechnung das durchschnittliche Rentenniveau (bei 45 Jahren Beitragszahlungen) von heute 70 Prozent langfristig auf 64 Prozent heruntergestuft werden. Ein Vorziehen der Reform werde 1998 keine Erhöhung der Rente zur Folge haben, hatte Bundesarbeitsminister Norbert Blüm mehrfach erklärt. Eine „Nullrunde“ für die Rentner wollte auch Bundeskanzler Helmut Kohl vermeiden – im nächsten Jahr stehen Bundestagswahlen an. Bei ihrer Strategietagung im Kloster Andechs Anfang September hatte die Union ihre Position noch einmal bekräftigt.

Die CSU sperrt sich gegen eine vorzeitige Rentenreform, schließlich will sie vor der Bundestagswahl die bayerische Landtagswahl gewinnen. Eine Verunsicherung der älteren Bevölkerung will die Partei, die um ihre Alleinherrschaft bangen muß, vermeiden. In den letzten Wochen sind aber, vor allem aus dem Lager der FDP, neue Zahlenmodelle in die Diskussion gebracht worden. Sie sollen offenbar der CSU die möglichst rasche Umsetzung der Rentenreform nahelegen. Die sozialpolitische Sprecherin der FDP, Gisela Babel, behauptete kürzlich, die Renten würden im Falle einer vorgezogenen Reform trotzdem um 0,4 Prozent im Westen und 0,7 Prozent im Osten steigen. Die CSU zeigt sich von den neuen Prognosen unbeeindruckt. Bundesfinanzminister Theo Waigel, zugleich CSU- Parteichef, macht eine andere Rechnung auf: Die Rentenversicherungsträger sollten Grundstücke verkaufen, um den Anstieg des Beitragssatzes von 20,3 auf 21 Prozent zu vermeiden. Vor der morgigen Sitzung des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag sieht es nicht danach aus, als sei die Koalition einer Lösung nahe.

Selbst wenn die CSU doch noch CDU und FDP folgen würde, wäre damit allenfalls der Koalitionsfriede wiederhergestellt. Es bliebe die Blockade der SPD. Parteichef Oskar Lafontaine hatte am Montag deutlich gemacht, daß eine Rentenabsenkung 1998 „undenkbar“ sei.

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