: Aktuelle Frauenquoten in ausgewählten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union
Das EuGH-Urteil zur Frauenquote in NRW hat zwar direkt keine Auswirkungen auf Frauenförderregelungen in anderen Mitgliedsstaaten der EU, indirekt aber sehr wohl. Klagt etwa in Österreich ein unterlegener männlicher Bewerber gegen die dortige Quote und wird diese Klage dem EuGH vorgelegt, so wird dieser im Lichte seiner „Marschall-Entscheidung“ urteilen. Es ist auch damit zu rechnen, daß die nationalen Gerichte im Vorfeld schon die „Marschall-Entscheidung“ berücksichtigen. Das für die Bewerberin negative Urteil im „Kalanke- Fall“ (Bremer Quote) 1995 hat die Rechtsprechung in Nachbarstaaten mittelbar beeinflußt.
Dänemark: Die dänische sozialistische Volkspartei führte bereits in den frühen siebziger Jahren Quoten ein, indem sie festlegte, daß jedes Geschlecht mit mindestens 40 Prozent vertreten sein muß.
In Österreich kennen zwei Parteien Quoten: die Grünen und die SPÖ. Angestachelt von der damaligen Frauenministerin Johanna Dohnal, schrieb sich die SPÖ 1985 die 25-Prozent-Quote ins Statut. 1993 wurde die SPÖ- Quote auf 40 Prozent aufgestockt. Die Grünen streben mindestens eine Parität an, ein Frauenüberschuß wird ausdrücklich für wünschenswert gehalten. Ende der 80er Jahre gingen Österreichs ParlamentarierInnen einen Schritt weiter und führten in allen Bundes- und Landesinstitutionen Quoten ein, die – ähnlich wie die von Nordrhein-Westfalen – vorsehen, daß bei gleicher Qualifikation solange die Bewerberinnen bevorzugt werden, bis auf der jeweiligen Qualifikationsstufe ein Frauenanteil von 50 Prozent erreicht ist.
Finnland verabschiedete 1987 ein Gesetz, nach dem Frauen und Männer in Ausschüssen, Beiräten und anderen Gremien so gleichmäßig wie möglich vertreten sein müssen. Als Ergebnis dieser Soll-Quote stieg der Anteil der Frauen in diesen Entscheidungsgremien von 25 Prozent im Jahr 1980 auf 48 Prozent im Jahr 1996.
Belgien ist in bezug auf die Parteien am weitesten. Ein Gesetz von 1994 verlangt für alle Parteien eine Mindestquote an Kandidaten desselben Geschlechts. Listen müssen mindestens 25 Prozent weibliche Kandidaten aufweisen. Ab 1999 wird der Satz auf 33 Prozent erhöht. Zwar sieht das System keine Sanktionen vor, wenn die Liste nicht die erforderliche Zahl von weiblichen Kandidaten erhält, legt aber fest, daß die gesetzlich für Frauen reservierten Plätze unbesetzt bleiben müssen, wenn sie nicht mit weiblichen Kandidaten besetzt werden.
Italien: Ähnlich wie in Belgien wurden in Italien 1993 zwei Wahlgesetze verabschiedet, die festlegten, daß auf Kandidatenlisten keines von beiden Geschlechtern mit mehr als 75 Prozent vertreten sein darf. Die Gesetze wurden allerdings 1995 für verfassungswidrig erklärt – kurz nachdem das Plädoyer des Generalanwalts vor dem Europäischen Gerichshof zum Fall Kalanke bekanntgeworden war.
Frankreich: Die sozialistische Partei führte zur Natonalratswahl im Mai 97 auf ihren Listen eine 40-Prozent-Quote ein.
In Großbritannien war Ende 1995 (nach dem Kalanke-Urteil) der Versuch der Labour Party gerichtlich untersagt worden, nur Frauen in aussichtsreichen Wahlkreisen aufzustellen. Ein unterlegener Labour-Kandidat hatte gegen die Quote in der eigenen Partei geklagt und recht bekommen. Labour hatte gegen das Urteil keine Berufung eingelegt.
In den Niederlanden geht die Frauenförderung mittels Quote über die Parteien hinaus. So beschloß das Kabinett im Sommer 1997, die angestrebte Frauenquote in Parlamenten und öffentlichen Ämtern zu erhöhen. In fünf Jahren soll jeder vierte Bürgermeister und jeder vierte Kommissar der Königin (Provinzgouverneur) eine Frau sein. Auch sollen nach den Parlamentswahlen 1998 mehr als 35 Prozent der Abgeordneten Frauen sein. Nach jeder Wahl, so der Kabinettsbeschluß, soll der Richtwert um weitere fünf Prozent erhöht werden. Barbara Debus
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