: „Keine besonderen Voraussetzungen“
■ Hamburg 1: Lokal-TV nach US-Vorbild startet mit Prince Charles Von Andreas Albert
Ganz toll will er sein, der jüngste Sproß der schönen neuen Medienwelt: Morgen startet Hamburg 1. Ein Lokalsender für Hamburg, der keiner sein will. Denn weder auf Spielfilme und Shows noch auf internationale Berichte soll verzichtet werden. Von dem Berliner Vorbild B1 unterscheidet sich der Hamburger Ableger vor allem durch ein lokales Frühstücksfernsehen. Am 3. Mai soll es, nachdem der Programmstart bereits zweimal verschoben wurde, endlich losgehen: Mit Prince Charles live auf dem Rathausmarkt. Probleme mit der Lizensierung des Zulieferers Super RTL waren für die Verzögerung verantwortlich.
Hamburg 1 verfolgt nach den Worten von Geschäftsführer Ingo Borsum das Konzept, „wie eine gut gemachte Tageszeitung“, die ZuschauerInnen zu informieren. Der Sender will sich dabei in der Aktualität an Radiosendungen orientieren. Der große Vorteil ist die Visualisierung. So werden für Verkehrsnachrichten festinstallierte Kameras die täglichen Staus in der Stadt sichtbar machen. Bei größeren Ereignissen in der Stadt ist jederzeit eine Programmunterbrechung möglich.
Für die Lokalnachrichten sind zehn festangestellte Video-JournalistInnen (VJs) unterwegs. Dieses aus den USA abgeguckte Konzept des All-Round-Redakteurs sieht vor, daß ein Mensch zugleich Journalist, Kameramann, Tontechniker und Cutter ist. Die VJs, unter ihnen zwei im Schichtdienst arbeitende Polizeireporter, die jederzeit erreichbar sind, haben nach Crash-Kursen seit Oktober vorigen Jahres ihr Gerät im Griff. „Die Kamera wiegt fünf Kilo und bei dem Preis ist Runterfallen nicht drin,“ beschreibt ein Videojournalist seinen Arbeitsplatz. Besondere Voraussetzungen für den Job sind nicht erforderlich: „Viel von der Arbeit ist learning by doing“, sagt Borsum, „80 Prozent unserer VJs haben ein abgeschlossenes Volontariat, die anderen sind Newcomer.“
Eine feste Berichterstattung aus Hagenbecks Tierpark steht ebenso auf dem Programm von Hamburg 1 wie eine lokale Erotikshow, der St. Pauli Report. Dazu werden selbstproduzierte Musik- und Spielshows zum festen Programmbestandteil gehören. Eingebettet ist die lokale Berichterstattung in ein Vollprogramm mit Serien, Spiel- und Kinderfilmen sowie Shows. Diese werden von Super RTL, einer Gesellschaft des RTL-Imperiums geliefert.
Im Gegenzug bekommt der Luxemburger Sender Werbezeit zur Verfügung gestellt. Hamburg 1 hat so das ökonomische Risiko für diesen kostenintensivsten Teil auf Super RTL abgewälzt. Ein Grund für die Lizenzgebung durch die Hamburgische Medienanstalt (HAM) im März letzten Jahres, denn Hamburg 1 konnte so das billigste Konzept vorweisen.
Der Sender betont gerne seine Einbettung in mittelständische Unternehmen. Werner Klatten, zweiprozentiger Gesellschafter, möchte „zwischen Kirch und Bertelsmann einen eigenen Weg gehen“. Geschäftsführer Ingo Borsum, ebenfalls mit zwei Prozent dabei, und Frank Otto, Sproß der Versandhaus-Familie, der 24 Anteilsprozente hält, repräsentieren den Mittelstand. Dabei ist Otto noch an diversen Radio- und Fernsehsendern beteiligt; bis vor kurzem war er alleiniger Inhaber des kriselnden Hamburger OK-Radio. Die anderen Anteile haben die Mediengrößen unter sich aufgeteilt: Die Deutsche Fernsehnachrichten Agentur (DFA), die deutsche Time-Warner, Tochtergesellschaft des US-Medienimperiums, und der Springer-Konzern halten ebenfalls je 24 Prozent.
Der Einstieg in den stark umkämpften Werbemarkt scheint den FernsehmacherInnen zu gelingen. Bereits 50 Prozent des für 1995 angepeilten Etats sind nach Auskunft von Werner Klatten eingefahren. Die Gegner im Kampf um die Werbeeinnahmen hat Klatten ebenfalls ausgemacht: „Wir werden das Werbepotential anteilig von den Zeitungen abziehen.“
Und die ZuschauerInnen, so die Hoffnung, vom Norddeutschen Rundfunk. Der macht denn auch Anstalten, Hamburg 1 Namen und Logo zu verbieten. Es bestehe Verwechslungsgefahr mit dem ARD-Logo, argumentiert der öffentlich-rechtliche Sender.
Zum Schutz des eigenen Geschmacksmusters beschreitet der NDR jetzt den Rechtsweg. Nach den Auseinandersetzungen zwischen dem NDR-Jugendradio N-joy Radio und dem Otto anteilsmäßig gehörenden OK-Radio (taz berichtete), scheint dem Radio- ein Fernsehkrieg zu folgen.
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