: Vorsitzender mit „Nebenprodukten“
Der Veranstalter des heutigen Politiker-Schachturniers, der Vorsitzende des Berliner Schachverbands, verstößt gegen die Förderrichtlinien des Senats ■ Von Stefan Löffler
Zweiunddreißig Politiker und Wirtschaftsführer haben sich zu einem Prominenten-Schachturnier heute mittag im Hotel Bristol Kempinski angesagt. Erwartet werden Altbundespräsident Richard von Weizsäcker und sein gescheiterter Nachfolgekandidat Jens Reich, Innensenator Jörg Schönbohm und BDI-Chef Hans- Olaf Henkel sowie von der SPD Wolfgang Thierse und Otto Schily.
Veranstalter ist der Vorsitzende des Berliner Schachverbandes, Alfred Seppelt. Er organisiert auch alljährlich im August das Schach- Open „Berliner Sommer“, das seit 1984 von der Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport finanziert wird, dieses Jahr mit 80.000 Mark. Einen Teil dieser Förderung, so stellte sich heraus, leitet Seppelt direkt oder auf Umwegen in die eigene Tasche.
Während des neuntägigen Schach-Opens verkauft er, ohne sich Standmiete zu berechnen, exklusiv Schachcomputer und Literatur. Sachpreise und Spielmaterial für das Turnier bezieht er bei sich selbst. Vielen der 500 Teilnehmer vermittelt er Zimmer gegen 15 bis 25 Prozent Provision. Wer den Meldeschluß verpaßt, wird gegen Buchung einer hochpreisigen Unterkunft zugelassen. Quittungen gibt es mitunter nur auf mehrfache Nachfrage. Die Unterbringung der eingeladenen Titelträger stellt Seppelt dem Senat in Rechnung. Ein Zimmer, das das Hotel Berlin in den letzten beiden Jahren für einen prominenten Teilnehmer spendierte, vermietete Seppelt beide Male ohne Quittung an einen Münchner Amateur, den er dem Hotelchef gegenüber als Großmeister ausgab.
Startgelder und Unterkünfte können von den Teilnehmern nur per Scheck an Seppelts Privatadresse beglichen werden. In den Abrechnungen, die der Sportverwaltung vorliegen, tauchen die Provisionen ebensowenig auf wie Zahlungen der Dresdner Bank, deren Schriftzüge die Turniere über Jahre exklusiv zierten. Laut Pressestelle der Bank flossen ausdrücklich Geldbeträge und nicht etwa Sachleistungen.
Nach den Förderrichtlinien des Senats müssen sämtliche Einnahmen in die Finanzierung fließen. Gewinnorientierte Veranstaltungen werden nicht bezuschußt. Aus der Sportverwaltung heißt es, bei Seppelts Abrechnungen seien bisher keine Unregelmäßigkeiten bemerkt worden. Im Gegenteil zeichne ihn aus, daß er die Veranstaltung „sehr preiswert macht“ und die Ausfallbürgschaft nicht voll ausschöpft. Der zuständige Staatssekretär Klaus Löhe beteuert, von den Geschäften des Schachorganisators nichts zu wissen.
Seppelt bestreitet das. Er habe nie verhehlt, daß er verdient an dem, was er als „Nebenprodukte“ bezeichnet. Der ehemalige Seifengroßhändler und Drogist wohnt in Lankwitz im eigenen Haus mit Schwimmbad. Die „geringen und ordentlich versteuerten“ Einnahmen brauche er, weil er keine Rente erhalte.
Dem Deutschen Schachbund ist Seppelts Verquickung von Ehrenamt und Geschäft seit langem bekannt, er mischt sich aber nicht ein: Das sei Sache des Berliner Landesverbands. Der sieht sich in einem Dilemma. Würden seine Privilegien angerührt, so Jugendwart und Schatzmeister gleichlautend, habe Seppelt gedroht, die Geldhähne versiegen zu lassen. Alle Kontakte zu Sponsoren und Verwaltung laufen über ihn.
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