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Rolls' Abschied von der Insel

■ Volkswagen will die britische Nobelmarke aufkaufen. Deutsche Autohersteller liefern sich einen Wettkampf um die Prestigefirma, die in diesem Jahr erst 1.400 Autos verkauft hat

Hannover (taz) – Raus aus dem proletarisch-biederen Wolfsburg und ab in die edelsten Werkshallen Englands: Volkswagen will Rolls-Royce kaufen. Der VW- Konzern unter Ferdinand Piäch bestätigte gestern nicht nur erstmals, daß er beim bisherigen Besitzer Vickers sein Interesse angemeldet hat. Das Handelsblatt meldete sogar, daß Volkswagen schon als neuer Eigner feststehe. Das ist wohl übertrieben, wie alle Beteiligten gestern versicherten. Aber Piäch ist wieder für eine Überraschung gut.

Nur 1.400 Autos hat die Rolls-Royce Motor Cars Limited in den ersten neun Monaten dieses Jahres verkauft. Als Kaufpreis für das Unternehmen werden zwischen 650 Millionen und 1,5 Milliarden Mark gehandelt – je nachdem, ob notwendige Investitionen in die Zukunft der englischen Werke mit eingerechnet werden oder nicht. Doch um die Automanufaktur, für deren Luxusschlitten Geldadel, Popstars und reich gewordene Diktatoren Preisen von mehreren hunderttausend Mark zahlen, ist unter den deutschen Autokonzernen ein regelrechter Wettkampf entbrannt.

„Ja, wir haben ein Kaufinteresse“, so gestern morgen ein Sprecher der Volkswagen AG. „BMW zeigt weiterhin Kaufinteresse an Rolls-Royce“, so kommentierten bald danach auch die Bayerischen Motorenwerke. Der derzeitige Besitzer von Rolls-Royce, die Vickers Plc., kann nun in aller Ruhe beobachten, wie sich die Konkurrenten gegenseitig hochbieten.

Eigentlich dachten alle, BMW habe das Rennen schon gemacht. Sie waren der einzige ernsthafte Bieter. Auch liefern die Münchner die Acht- und Zwölfzylindermotoren für die Rolls-Modelle mit der geflügelten Kühlerfigur. Laut Liefervertrag kann BMW den Kontrakt kündigen, sobald sich etwas am Eigentümerkreis von Rolls ändert – ein wichtiges Druckmittel, denn neue Motoren eines anderen Herstellers auf die Fahrgestelle abzustimmen würde Monate dauern. Die Produktion bei RR stünde teilweise still.

VW will trotzdem den Zuschlag. Ob sich die Investition lohnt, scheint nicht das Wichtigste: „Hier geht es nicht um Masse, sondern um Image, um ein ganz spezielles Marktsegment mit ein paar tausend Kunden weltweit“, begründete der VW-Sprecher gestern das Interesse an der Nobelmarke. Die großen Autokonzerne wollen seit einigen Jahren in allen Marktsegmenten dabeisein. Piäch will in die Luxusklasse. Dort eigene Modelle einzuführen ist schwierig und teuer. Und etablierte Marken stehen selten zum Verkauf: Jaguar gehört schon Ford, Ferrari zu Fiat, Porsche wäre zu teuer. Da bleibt nur noch der Griff ganz nach oben, zum handgefertigten Rolls aus dem englischen Crewe.

Während BMW am liebsten den ganzen Laden kaufen würde, wäre Volkswagen eventuell auch mit einer Beteiligung zufrieden. Schließlich sind die Gewinne in Wolfsburg in den letzten Jahren wesentlich niedriger ausgefallen als bei den Bayern.

VW-Chef Ferdinand Piäch hat sich für seine Kriegskasse die Ausgabe von sechs Millionen neuen VW-Aktien bereits von seinem Aufsichtsrat genehmigen lassen. Zwischen sechs und sieben Milliarden Mark sollen durch die Kapitalerhöhung dem Konzern zufließen. Die Ausgabe der Anteilsscheine mußte VW inzwischen allerdings auf unbestimmte Zeit verschieben: Der VW-Aktienkurs war unter den anvisierten Ausgabekurs von 1.010 Mark für die neuen Aktien gerutscht. Bei 3,25 Millionen verkauften Autos in den ersten neun Monaten dieses Jahres würde sich eine Übernahme von Rolls-Royce allerdings nur im Promillebereich in den Verkaufszahlen der Volkswagen AG niederschlagen. Jürgen Voges

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