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Deckenlose Unverschämtheit

Nach Wasserschaden entfernen Hauseigentümer einfach die Küchendecke. Zu den Vermietern gehört auch der Hamburger Tierschutzverein  ■ Von Marco Carini

Als Anne V. nach einem Spanienurlaub in ihre Wohnung in der Laeizstraße im Karoviertel zurücckehrte, hatte sie plötzlich den großen Durchblick. Wo zuvor die Küchendecke hing, klaffte nun ein riesiges Loch. In ihrer Abwesenheit hatte der Vermieter die Zimmerdecke, die den ersten vom zweiten Stock trennte, einfach entfernen lassen. Seitdem hat die 29jährige Musikstudentin fünf Meter hohe Wände und eine zweite Eingangstür zu ihrer Wohnung – in der luftigen Höhe von drei Metern.

Der Hintergrund des unglaublichen Deckenklaus: Im vergangenen Januar hatte sich in der leerstehenden Wohnung direkt über der von Anne V. ein Wasserrohrbruch erster Güte ereignet. „Eine höllische Wassermenge“, erinnert sich die Musikstudentin, sei von oben in ihre Wohnung gelaufen. Und das, obwohl Anne V. ihre Hausverwaltung vorher telefonisch darauf hingewiesen hatte, daß die Wasserleitungen in den unbeheizten Räumen aufgrund der starken Kälte vollständig vereist seien und zu bersten drohten. Doch ihre Warnung wurde in den Wind geschrieben.

Tage brauchte die 29jährige, um ihre Zwei-Zimmer-Wohnung wieder halbwegs trockenzulegen. Mit mäßigem Erfolg: „Monatelang war der Fäulnisgestank in meinen Zimmern unerträglich“, erinnert sich Anne V. Die durchsuppten Wände entwickelten sich zudem zum hervorragenden Nährboden für ausgedehnte, gesundheitsgefährdende Schimmelkulturen.

Die Folge: Anne V. minderte ihre Miete auf Null und verklagte die Wohnungsbesitzer, eine Erbengemeinschaft, auf sofortige Beseitigung der umfangreichen Schäden. Pikant daran: Ein Drittel des Hauses gehört dem Hamburger Tierschutzverein. Doch die Organisation, die kräftig Spenden kassiert, um ihren meist vierbeinigen Kunden eine vernünftige Unterbringung zu finanzieren, zeigte kein Interesse daran, Anne V. wieder in menschenwürdigen Verhältnissen wohnen zu lassen.

Obwohl die Hauseigentümer rechtlich eindeutig verpflichtet sind, den Wasserschaden schnellstmöglich und umfassend zu beheben, blieb das Haus an der Laeizstraße monatelang eine handwerkerfreie Zone. Anne V. wurden trotz mehrfacher Aufforderung nicht einmal Trockner zur Verfügung gestellt, um die Feuchtigkeit aus den durchnäßten Wänden zu blasen. Zwar wurde die Erbengemeinschaft inzwischen vom Hamburger Amtsgericht dazu verdonnert, die Wohnung wieder instand zu setzen – doch statt der gravierenden Mängel ließ sie nur die Küchendecke beseitigen.

Anne V.–s Anwalt, Udo Smetan, wittert hinter dem unglaublichen Deckenklau einen „gezielten Abriß von innen“. Der Mieteranwalt, der „so etwas“während seiner Laufbahn „noch nie erlebt hat“, vermutet, daß die Eigentümer durch den Deckenabriß „vollendete Tatsachen schaffen“wollten, um eine offizielle Abbruchgenehmigung zu erhalten. Smetan wörtlich: „Was hier passiert, macht nur Sinn, wenn das Interesse der Hausbesitzer sich darauf richtet, das Grundstück aus spekulativen Motiven leer zu bekommen.“

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