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Dissident Wei ist frei

■ Nach 18 Jahren Haft schiebt Chinas Führung den prominentesten Kritiker des Regimes in die USA ab

Peking (taz) – Chinas Kommunisten sind ihren lästigsten Gegner los. Gestern morgen bestieg Wei Jingsheng, der hartnäckigste aller chinesischen Regimekritiker, ein Flugzeug in Richtung USA. Dort erwartete den 47jährigen noch gestern seine in Deutschland lebende Schwester Wei Shanshan, die für ihn einen Termin im Krankenhaus gebucht hatte. Nach über 18 Jahren im chinesischen Gulag ist aus dem mutigen Vorkämpfer der chinesischen Demokratiebewegung ein schwerkranker Mann geworden. Einzig diese Krankheiten, so beteuerten gestern seine in Peking lebenden Geschwister im taz- Interview, seien für Wei Anlaß, China zu verlassen. Weis Freilassung war offensichtlich Thema der amerikanisch- chinesischen Gipfelgespräche im Oktober in Washington.

Nicht alle mochten sich freuen: „Einen weiteren Dissidenten ins Exil zu schicken bedeutet keine Verbesserung in der Menschenrechtssituation in China“, beklagten die Exilchinesen der New Yorker Organisation Human Rights in China. Auch amnesty international sah nur einen „symbolischen Gewinn, aber kein Zeichen für weiteren Wandel“. Nach Angaben der Gefangenenhilfsorganisation sitzen noch tausend politische Gefangene in chinesischen Gefängnissen.

Wei, Sohn eines hohen Parteibeamten, studierte während der Kulturrevolution und zählte zu den Demokraten der ersten Stunde nach Maos Tod. Im Jahr 1978 stieg er zum Wortführer der Demokratiebewegung auf, als der er auch während der Studentenrevolte 1989 anerkannt wurde, nachdem er bereits zehn Jahre in Haft verbracht hatte. „Die chinesische Politik hat dazugelernt. Sie macht Zugeständnisse“, erklärte gestern Weis deutscher Biograph, der Spiegel-Korrespondent Jürgen Kremb, die Freilassung seines Freundes. Kremb bezweifelt, daß das Kalkül der Pekinger Herrscher, Wei in Amerika kaltzustellen, aufgeht: „Sun Yat-sen hat die Revolution auch aus dem Exil begonnen.“ Georg Blume

Bericht und Interview Seite 2

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