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Kollege Computer vernichtet Jobs

■ Die Dienstleistungsbranche soll das Jobwunder bringen. Doch fast jeder zweite Arbeitsplatz ist durch die Automatisierung gefährdet

Berlin (taz) – Galt der Dienstleistungssektor bislang als der Bereich der Wirtschaft, in dem künftig noch am ehesten Arbeitsplätze entstehen, so muß diese Annahme nun wohl korrigiert werden. Eine noch unveröffentlichte Studie der Universität Würzburg belegt, daß „bei konsequenter Nutzung der Informationstechnologien rein rechnerisch über 6 Millionen Arbeitsplätze im Bereich der anspruchsvolleren Dienstleistungen entfallen können“. Das jedenfalls sagt Projektleiter Rainer Thome.

Der enorme Kosten- und Konkurrenzdruck der Firmen erfordere Rationalisierung durch moderne Informationsverarbeitung: Flottenmanagementsysteme bei Speditionen straffen die Logistik, Selbstbedienungsterminals und Telebanking dünnen das Filialsystem der Banken aus, Self-scanning-Kassen benötigen weniger Personal. „Schon eine Investition von wenigen zehntausend Franken ersetzt zwanzig bis dreißig Personen“, hat Urs Tschumi, Zentralsekretär beim schweizerischen Bankpersonalverband in Bern, errechnet.

Schätzungen über neu entstehende Arbeitsplätze sind dagegen vage. Die Unternehmensberatung Arthur D. Little geht von durchschnittlich 20 bis 25 Prozent Wachstumsraten pro Jahr aus. Für Deutschland bedeutet das bis zum Jahr 2000 etwa 750.000 zusätzliche Medienarbeitsplätze – ein Best- Case-Szenario, das viele Kritiker für übertrieben halten. So rechnet zwar auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit einem Anstieg in den Medien- und Kommunikationsberufen um 10 Prozent, weist aber darauf hin, daß dieser Beschäftigungszuwachs durch Rückgänge bei den gedruckten Medien fast vollständig kompensiert wird.

Eine ausgeglichene Bilanz ist daher unwahrscheinlich. Denn gerade die neuen Technologien haben bisher eigenständige Branchen zusammenwachsen lassen: Telekommunikations- und Informationsdienste oder Finanz- und Versicherungsdienstleistungen greifen ineinander über. „Die so entstehenden riesigen Gruppen nutzen dabei ihre weltweite Präsenz, um mit Arbeitsplätzen zu jonglieren“, kritisiert Kurt van Haaren, Chef der Gewerkschaft für Post- und Telekommunikation.

Trotzdem ist Wissenschaftler Rainer Thome davon überzeugt, daß ein Verdammen der Informationstechnologie falsch ist. „Schließlich kann nur auf diese Weise, analog zum Produktionssektor, langfristig die Konkurrenzfähigkeit und daraus resultierend der Erhalt von Arbeitsplätzen gesichert werden.“ Andreas Grote

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