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Kommunen ohne Steuern

■ Nach der jüngsten Steuerschätzung rechnen die Kommunen damit, ihre Ausgaben um weitere vier Prozent kürzen zu müssen.

Hannover (taz) – Stephan Articus, in der Geschäftsführung des Deutschen Städtetages für Kommunalfinanzen zuständig, ist besorgt: „Gerade die Ausfälle bei der Einkommensteuer treffen uns gleich doppelt.“ Auf zwei Milliarden in diesem Jahr und auf weitere drei Milliarden im Jahr 1998 schätzt Articus die Einnahmeausfälle, die die Steuerschätzung der vergangenen Woche den Gemeinden und Städten in West und Ost prognostiziert hat.

Schon nach der Schätzung im Mai hatten die Finanzfachleute beim deutschen Städtetag die für dieses Jahr zu erwartenden Einahmen der Kommunen um zwei Milliarden nach unten korrigieren müssen. Als der deutsche Städtetag dann im März seinen alljährlichen Gemeindefinanzbereicht vorlegte, gab es noch die Hoffnung, zumindest die Einnahmen des Vorjahres ungefähr zu halten. Für 1997 wurden sie auf 279 Milliardem Mark geschätzt, nach 282 Milliarden im Vorjahr, wobei man einen relevanten Rückgang der kommunalen Finanzmittel nur in Ostdeutschland erwartete.

Nach den beiden Steuerschätzungen ergibt sich nunmehr ein Einnahmerückgang der Kommunen gegenüber dem Vorjahr um gut zwei Prozent. Berücksichtigt man die Preissteigerungrate, so werden Städte und Gemeinden trotz anziehender Konjunktur in diesem Jahr etwa vier Prozent weniger ausgeben können als 1996.

Nicht ohne Grund kommt Articus als erstes auf die Einkommensteuer zu sprechen. Von dieser Steuer erhalten die Gemeinden nicht nur direkt einen Anteil von 15 Prozent. Je nach Bundesland fließen weitere 7 bis 9 Prozent Einkommensteueranteil den Gemeinden über die kommunalen Finanzausgleiche zu. Eingebrochen ist die veranlagte Einkommensteuer, also jene Steuer, die Freiberufler und Selbständige auf ihre Einkünfte zahlen müssen. 1991 sind der Staatskasse über die veranlagte Einkommensteuer noch gut 40 Milliarden Mark zugeflossen, in den ersten neun Monaten dieses Jahres hat diese Steuerart bundesweit nur noch 666 Millionen gebracht. Ein knappes Viertel dieser Einnahmeausfälle ging zu Lasten der Kommunen.

Da die Kassen ohnehin leer sind, werden nach Ansicht von Articus steigende Defizite in den Verwaltungshaushalten, bei den laufenden Ausgaben also, und kurzfristige Kreditaufnahmen die Folge sein. Der Finanzfachmann des Städtetages sieht keineswegs alle Kommunen gleichermaßen in der Krise. Betroffen seien vor allem die großen Städte mit hoher Arbeistlosigkeit. Die wachsende Armut dort mache sich bei den Einnahmen wie den Ausgaben bemerkbar, wirke wie eine regelrechte Finanzklemme: Mehr Arbeitslosigkeit und Armut bedeutet nicht nur mehr Sozialhilfeausgaben, sondern auch ein geringeres Einkommensteueraufkommen. Alle Kommunen wenden zur Zeit etwa ein Viertel ihrer gesamten Ausgaben für Sozialhilfekosten auf. Etwas Luft hat den Städten und Gemeinden in den vergangenen zwei Jahren die Pflegeversicherung gebracht. Im Jahr 1996 sind die Ausgaben der Kommunen für Sozialhilfe durch die neue Versicherung um vier Prozent zurückgegangen, während sie im Gleichschritt mit der Arbeitslosigkeit in den Jahren davor zwischen etwa fünf und zehn Prozent gewachsen waren. In diesem Jahr rechnet der Deutsche Städtetag noch einmal mit einem Rückgang der Sozialhilfeausgaben um ein Prozent. Im nächsten Jahr allerdings dürfte es richtig eng werden für die Kommunen. Dann ist der Entlastungseffekt durch die Pflegeversicherung aufgezehrt, und die Sozialhilfeausgaben werden wieder dem Trend bei der Langzeitarbeitslosigkeit folgen. Jürgen Voges

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