: Süßigkeiten für den sauren Alltag
■ Cinegraph präsentiert: „Aus dem Geist der Operette – Musiktheater im deutschen Film“
Eine Operette, was ist das eigentlich? Eine kleine Oper, ziehen sich die Buchstaben-Ausleger aus der Affäre. Leichte Unterhaltung, die dem Publikum für kurze Zeit die Alltagssorgen vertreiben soll, sagen andere und beschreiben die Wirkung. Ein buntes Gemisch aus Gesang, Tanz und Komödie, sagen wieder andere und benennen die Strickart.
Eins steht jedenfalls fest: Es gibt eine Gesetzmäßigkeit zwischen Arbeitslosenquote und dem Bedürfnis nach Operette, die lautet: Je schwerer die Krise, desto leichter die Kost. Natürlich darf immer gelacht werden, aber richtig Spaß macht es erst, wenn es einem fast schon vergangen ist.
Nach der virusartigen Ausbreitung von Comedy auf allen Kanälen, der Neuauflage der Drei Mädels von der Tankstelle mit dem Ohrwürmchen „Ein Freund, ein guter Freund“, gilt Castorfs Plan, Die Fledermaus von Johann Strauss zu inszenieren, vielen Beobachtern der Kultur-Szene als der letzte Beweis dafür, wie sehr sich der „Geist der Operette“in den 90ern ausgebreitet hat.
Grund genug, so dachte sich das Hamburgische Centrum für Filmforschung, einmal auf die Zeit zurückzublicken, in der Musik und Tanz in bis dahin ungekanntem Ausmaß die Kinosäle eroberten, also auf die legendären 20er und die bedenklichen 30er Jahre.
Bei dem Übergang vom Stumm- zum Tonfilm spielt der „Geist der Operette“, also der Verwischung von Grenzen und der Vermischung von Stilen und Genres, eine bedeutende Rolle.
Die Musikbegleitung war schon bald als tragendes Element der Filmpräsentation nicht mehr wegzudenken. Hinzu traten der zunehmende Einfluß von Revue, Oper, Singspiel und Schlager. Durch den Film Ihre Hoheit befiehlt wird das Lied „Du hast mir heimlich die Liebe ins Haus gebracht“1931 zum Schlager Nr. 1.
Unter dem Motto ... aus dem Geiste der Operette - Musiktheater und Tanzkultur im deutschen Film 1922 - 1937 verfolgen die CineGraph-Veranstalter die frühen Spuren der Operette im Film. Dabei haben sie auch einige Raritäten ausgegraben; so etwa den Eröffnungsfilm Der Faschingsprinz, dessen einzige erhaltene Kopie das Moskauer Filmarchiv zur Verfügung gestellt hat. Die Stummfilme aus der Reihe werden „wie damals“von Orchestern begleitet. Zum Eröffnungsfilm spielt das Opium-Salonorchester. Wer nicht nur glotzen und Musik hören will, der kann zusätzlich Vorträge über Tanzorchester und -kleider oder das rege Großstadt-Revuetheater-Treiben der 20er Jahre besuchen.
Joachim Dicks
Do. 20. Nov., 19.30 Uhr: Der Faschingsprinz ; Fr. 21. Nov., 17 Uhr: Ihre Durchlaucht, die Verkäuferin ; 19 Uhr: Heinrich Heines erste Liebe ; 21.15 Uhr: Ihre Hoheit empfiehlt , Metropolis
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