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Mauern, kassieren

■ Die EU-Länder blockieren sich gegenseitig bei der Agrarreform

Die Spanier haben eine gemeinsame Erklärung zur Zukunft der EU-Agrarpolitik blockiert, hieß es auf dem Gipfel der EU-Landwirtschaftsminister vorgestern nacht in Brüssel. Dabei hatten sich die Minister in den letzten Monaten mehrfach getroffen und mußten eigentlich eine solche Stellungnahme abgeben: Am 12. und 13. Dezember treffen sich nämlich die Regierungschefs der Europäischen Union und wollen grünes Licht für die „Agenda 2000“ geben. Diese Agenda soll die Entwicklung der EU bis 2006 festlegen. Und einer der Schwerpunkte ist die Reform der Zahlungen an die Landwirte und die Agrarindustrie, die derzeit die Hälfte des 160 Milliarden Mark schweren EU-Haushalts ausmachen.

Mauern, kassieren Die EU-Länder blockieren sich gegenseitig bei der Agrarreform

Die geplante Agrar-Erklärung der Minister hätte aber auch mit der Zustimmung der Spanier keine Klarheit geschaffen. Wegen der großen Differenzen zwischen den einzelnen Ländern war die in Brüssel vorliegende Erklärung allgemein bis zur Inhaltsleere geraten. Großbritannien und die Skandinavier sehen ihre Bauern schon fit für den Weltmarkt und treten daher für weniger Subventionen ein. Die EU-Kommission treibt teilweise in diese Richtung. Sie sieht eine Überschußproduktion und will die garantierten Preise für Milch, Getreide und Rindfleisch um bis zu dreißig Prozent senken.

Bundeslandwirtschaftsminister Jochen Borchert und einige seiner Kollegen fürchten bei solchen Preissenkungen ein noch schnelleres Bauernsterben. Einen Bauernstand, der nur noch aus agrarindustriellen Großbetrieben besteht, wollen aber die Politiker nicht. Weil er häßlich ist und der Umwelt noch mehr schadet als die bisherigen Betriebe. Und weil die Bauernverbände eine bekannt gute Lobbyarbeit leisten.

Wenn die Preise teilweise unter die Kosten für die Erzeugung sänken, müßten die Bauern nach dieser Logik wie auch immer geartete Ausgleichszahlungen erhalten. Dadurch aber würde der Agrarhaushalt der Union laut Borchert unterm Strich sogar um acht Milliarden Mark mehr belastet – schließlich kommen die Preissenkungen für die Rohstoffe der Lebensmittelindustrie zugute, den Ausgleich aber müßten die EU-Staaten aus ihren Kassen zahlen.

Angesichts dieses Dilemmas versuchen die Spanier und in gewissem Rahmen auch die Deutschen den Konflikt erst einmal auszusitzen. Denn solange sich nichts an den Subventionen verschiebt, bleibt der Status quo gewahrt. Das aber ist eine kurzsichtige Taktik. Spätestens wenn neue Mitgliedsländer wie Polen oder Ungarn in die Union eintreten, werden die gleichbleibenden Mittel auf mehr Staaten verteilt. Und im dann ausbrechenden Hauen und Stechen bleibt die eigentlich notwendige Reform auf der Strecke – ein Umbau in Richtung umweltverträglicher, arbeitsintensiver Produktion mit regionaler Verzahnung der Bauern. Reiner Metzger

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