Restlos bedient

■ betr.: „Witwe Boltes kühnster Streich“, taz vom 13.11. 97

Der so überaus positive Grundtenor des Porträts der neuen Hamburger Justizsenatorin überrascht, gerade wenn man sich die in ihm genannten Fakten ansieht.

Danach ist Frau Peschel-Gutzeit eine rücksichtslose und rechthaberische Raserin, eine publizitätsgeile Politikerin, die selbst lächerliche Ideen an die Medien bringt (Wahlrecht für Kinder), eine berufliche Streberin, die mit Stapeln von Gesetzesinitiativen zeigen will, wie gut sie ist, sowie eine autoritäre Vorgesetzte, die Untergebene „zur Schnecke macht“.

Was hätte eine Zeitung mit Biß aus einem Porträt einer solch eitlen Großbürgerin machen können! [...] Frank Stenner, Cuxhaven

Die ziemlich abschätzige Überschrift wird den Grundtenor des ganzseitigen Artikels bestimmen.

Ich erfahre, daß Frau Peschel- Gutzeit auch im Winter nur Kniestrümpfe unter den geräumigen Faltenröcken trägt, eine respektable Matrone ist, Gefühle an die große Glocke zu hängen ihre Sache nicht ist und sie schließlich auch die Zeche für ihre Karriere gezahlt hat, da sie (die Rabenmutter?) die drei Kinder von einer Kinderfrau großziehen läßt.

Außerdem hat sie sowieso nicht alles durchsetzen können, wofür sie wortgewaltig eintrat – so das Fazit der Autorin. Vielleicht muß ich nicht noch erwähnen, daß ich nach der Lektüre dieses Artikels restlos bedient bin. Schließlich werde ich auch grundsätzlich von Outfit-Einzelheiten verschont, wenn männliche Zeitgenossen porträtiert werden. Komisch, da ist's auch nie Thema, wer deren Kinder großzieht. Die Kinderfrau? Die häusliche Ehefrau? Nehmen die Kinder dem Vater die vielen Überstunden auch übel, oder wie ist das hier?

Es muß doch wohl möglich sein, interessante oder auch ambivalente Portraits über Frauen zu schreiben. Katrin Goericke, Berlin