■ Die CSU feiert ihren heimlichen Vorsitzenden: Edmund Stoiber
: Die richtigen Fragen

Es war kein glanzvoller Parteitag. Nicht nur die deutsche Vereinigung hat die Bedeutung der bayerischen „Partei mit bundespolitischem Anspruch“ relativiert. Die Blockaden und Querschläge besorgen heute andere: die SPD Lafontaines und eine Westerwelle-FDP, für die das soziale Element, das die CSU ja nicht zufällig in ihrem Namen trägt, von einem anderen Stern kommt.

Wie hypnotisiert starren die Christsozialen, nein, nicht auf die drei Prozent beim Euro, sondern auf die 50-Prozent-Marke bei den Landtagswahlen. Daß 49 Prozent in Zeiten wie diesen auch ein ganz schönes Ergebnis wäre, kann sie nicht beruhigen. Denn wenn die CSU bei der Bundestagswahl auch nur ein Prozent verlöre, dann wäre es mit der Kohl-Regierung vorbei. Jeder denkt daran, keiner spricht davon, schon gar nicht auf einem Parteitag.

Was der CSU am meisten zu schaffen macht: Sie hat mit Waigel einen Vorsitzenden, der selbst in dem Kabinett der grauen Mäuse noch durch seine überdurchschnittliche Durchschnittlichkeit auffällt. Dafür hat man früher CSU-Vorsitzende nicht gebraucht. So kann von einer Doppelspitze Waigel-Stoiber langsam keine Rede mehr sein. Denn der Parteitag hat demonstriert, wer die politische Identität der CSU neu formieren wird.

Mit den Themen, die er am Wickel hat, betreibt Edmund Stoiber ja mehr als nur Ressentiment-Politik oder Wahlkampf. Wenn im Mai 1998 der Euro beschlossen sein und diese Debatte dann ihr Ende finden wird, wird eine andere beginnen müssen, für die der bayerische Ministerpräsident die Stichworte liefert. Es geht darum, daß die Balance der Zuständigkeiten zwischen Europa, den Nationen und den Städten und Gemeinden neu austariert werden muß. Auch die Regionalisierung der Sozialversicherung hat zwei Seiten: eine problematische, wenn die Starken in dieser Welt (Staaten, Steuerzahler, Unternehmer) nur noch mit sich selbst solidarisch sind, und eine vernünftige, wenn sie den real existierenden Föderalismus – zentralistisch und unbeweglich, ohne Vielfalt und Wettbewerb – auf die Tagesordnung setzt.

Die Frage, ob als Zeichen politischer Korrektheit eine Große Koalition im Bund für alle Zeiten tabuisiert bleiben muß, wurde nur in den Gängen und hinter den Kulissen diskutiert. Es könnte sein, daß Edmund Stoiber, der heimliche Vorsitzende der CSU, einmal den Ausschlag geben könnte: Lieber in Bonn ein paar Minister für CDU und CSU weniger, dafür im Land ein paar Reformen mehr, als sie mit der FDP möglich wären. Warnfried Dettling

Der Autor lebt als freier Publizist in München