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Berlin riskiert Ruf als Hauptstadt der Kooperation

■ Senat plant Streichung der Aufbaustudien für Entwicklungszusammenarbeit an den Unis

Der Senat will die Zuschüsse für entwicklungspolitische Aus- und Weiterbildungseinrichtungen der Universitäten kürzen. Für das Seminar für Ländliche Entwicklung (SLE), einen international renommierten Ausbildungsgang der Humboldt-Universität, würde das die Schließung bedeuten – und damit einen großen Verlust an Kompetenz für den Bildungsstandort Berlin.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und das Land Berlin teilten sich bisher die Kosten von 1,6 Millionen Mark. Während das BMZ an der Zahlung von 41 Prozent festhält, kündigt der Senat einseitig den bis 2001 gültigen Vertrag. Noch im September hatte der für Entwicklungspolitik zuständige Staatssekretär bei der Wirtschaftsverwaltung, Dieter Ernst, erklärt: „Eine engagierte Landesentwicklungspolitik (muß) die Standortvorteile Berlins – das wissenschaftliche und umwelttechnische Know-how – für die Ost-West- und Nord-Süd-Kooperation stärker als zuvor nutzen. Kontakte und Zusammenarbeit müssen ausgebaut werden.“ Doch der Haushalt der Wissenschaftsverwaltung für 1998 sieht einen Kahlschlag bei den Zuschüssen für entwicklungspolitische Aktivitäten der Unis vor.

Neben dem SLE trifft es die weiterbildenden Studien Tropenveterinärmedizin der Freien Universität und das Nachkontakteprogramm beim Referat für Außenbeziehungen an der Technischen Universität. Die Tropenveterinärmedizin ist die einzige Institution im deutschsprachigen Raum, die Veterinärmediziner speziell für die Tropen schult und besonders Führungspersonal der Dritte-Welt-Länder fortbildet. Das Nachkontakteprogramm an der TU betreut mittlerweile 1.800 TU-AbsolventInnen aus Entwicklungs- und Schwellenländern. Berufsbildende Seminare bereiten die Studierenden vor der Rückkehr auf die Probleme in den jeweiligen Heimatländern vor. „Das Programm wäre bei einer Streichung der Zuschüsse gefährdet“, sagt Andrea Moritz, die das Programm betreut.

Werden die Sparpläne Wirklichkeit, muß das SLE bereits im Januar 1998 seine Pforten schließen. Seit 1962 werden hier jährlich 20 Landwirte, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler in einem interdisziplinären Aufbaustudium auf Führungspositionen in der Entwicklungszusammenarbeit vorbereitet. Der Wissenschaftsrat lobte 1996 die hohe Qualifikation der AbsolventInnen und deren bedarfsgerechte Ausbildung.

Noch ist Berlin Zentrum der personellen Zusammenarbeit im Bereich Entwicklungspolitik. Protestbriefe gegen die Kürzungspolitik warnen allerdings vor einem „weitreichenden Renommeeverlust“ der Hauptstadt bei Streichung der Studiengänge. Auch wirtschaftliche Verbindungen in die Dritte Welt basieren oft auf solchen Auslandskontakten. Die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit in Frankfurt fürchtet den Verlust „einer der wichtigsten Quellen für die Rekrutierung von Nachwuchs“. Die Empfänger der über 100 Protestbriefe zeigen sich jedoch bisher unbeeindruckt. Eberhard Diepgen „bedauert“ lediglich, „daß aufgrund der Finanzsituation eine Unterstützung durch das Land Berlin nicht gewährt werden kann“. Morgen wird der Hauptausschuß entscheiden. Lena Blaudez

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