: Gewalt gegen Frauen ist kein Thema
■ Der heutige Internationale Tag "Nein zur Gewalt gegen Frauen" findet kaum Beachtung. Frauenprojekte sind mit Sparmaßnahmen beschäftigt, Frauenstaatssekretärin wußte von nichts. Zahl der Straftaten gegen
Der heutige Internationale Tag „Nein zu Gewalt gegen Frauen“ findet in Berlin so gut wie nicht statt. Weder die Frauensenatsverwaltung noch die Mitarbeiterinnen von Anti-Gewalt-Projekten haben größere Aktionen, Anhörungen oder Demonstrationen geplant. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: „Ich habe es schlichtweg nicht gewußt“, sagt Frauenstaatssekretärin Helga Korthaase (SPD). „Wir machen keine zentrale Veranstaltung, weil es zuwenig personelle Ressourcen gibt“, sagt Angelika May vom Projekt Frauenzimmer e.V., das Frauen in Zufluchtswohnungen betreut. Die Frauenszene liege derzeit brach. Lediglich 1.000 Plakate, auf denen auf die tägliche Gewalt gegen Frauen hingewiesen wird, haben Mitarbeiterinnen geklebt. Außerdem wollen sie heute mit Hilfe von Handzetteln in U-und S-Bahnhöfen auf das Problem aufmerksam machen.
Anlaß für den Internationalen Aktionstag gegen Gewalt war 1960 ein Verbrechen an drei dominikanischen Frauen. Sie wurden von Militärs vergewaltigt und ermordet. Auf den Philippinen wurde dieser Tag erstmals 1988 aufgegriffen, um auf den Prostitutionstourismus aufmerksam zu machen.
Die Gewalt gegen Frauen hat nicht nachgelassen. Die Statistik spricht Bände: So leitet allein das Sonderdezernat zur Bekämpfung häuslicher Gewalt der Amtsanwaltschaft monatlich rund 300 Verfahren unter dem Vorwurf der Körperverletzung oder der gefährlichen Körperverletzung ein. Sexualstrafdelikte werden bei dem Dezernat, das zur schnelleren Aburteilung von Tätern eingerichtet wurde, gar nicht erfaßt. Die Kriminalstatistik verzeichnet etwa 500 Vergewaltigungen im Jahr. Und: Die Dunkelziffer ist enorm hoch. KriminalexpertInnen schätzen, daß überhaupt nur jedes achte bis zehnte Gewaltdelikt gegen Frauen angezeigt wird.
Dennoch gibt es mittlerweile ein „öffentliches Bewußtsein für das Thema“, resümiert Barbara Kavemann, die sich seit Jahren wissenschaftlich mit Gewalt gegen Frauen beschäftigt. Jedoch gebe es immer noch einige Bereiche, die tabuisiert seien, zum Beispiel die gesundheitlichen Folgen von Gewalt. „Gewaltanwendungen wird von ÄrztInnen häufig ignoriert“, hat auch Angelika May vom „Frauenzimmer“ in ihrer Arbeit erfahren. Selbst bei schwermißhandelten Frauen werde die Ursache der Verletzungen oft nicht erkannt und damit keine adäquate Behandlung angeboten.
Positiv vermerkt sie, daß aufgrund des entspannteren Wohnungsmarktes das Angebot an Zufluchtswohnungen für mißhandelte Frauen größer als noch vor einem Jahr sei. Die finanzielle Lage der Projekte sei aber „prekär“, jedoch seien für das Haushaltsjahr 1998 keine weiteren Kürzungen zu erwarten. Derzeit gibt es 6 Frauenhäuser und 7 Projekte mit Zufluchtswohnungen. Die Senatsverwaltung für Frauen stellt für Anti-Gewalt-Maßnahmen 1998 10,7 Millionen Mark zur Verfügung. Julia Naumann
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