piwik no script img

„Deutsche Kredite sind sicher“

■ Gernot Müller, Chefstratege der Westdeutschen Landesbank Research, kritisiert die unzureichende Kontrolle von Japans Banken

taz: Herr Müller, auch die großen deutschen Banken haben Milliarden an Krediten in japanische und südostasiatische Länder vergeben. Können sie die nun abschreiben?

Gernot Müller: Nein, die deutschen Kredite dorthin wurden nach sicheren Kriterien vergeben. Keine deutsche Bank hat beispielsweise an das nun zahlungsunfähige Wertpapierhaus Yamaichi einen wesentlichen Betrag verliehen.

Also keine Auswirkungen der Yamaichi-Pleite auf Europa?

Indirekt schlägt es schon durch über die Verunsicherung der Aktien- und Finanzmärkte. Aber das wird ein kurzfristiger Effekt sein.

Und langfristig?

Die internationalen Banken müssen ihre Schuldner strenger selektieren. Risikobehaftete Firmen könnten es schwerer haben, einen Kredit zu bekommen.

Aber wer ist denn ein guter Schuldner, wenn nicht die großen japanischen Firmen?

Die Exportwirtschaft des Landes ist ja nach wie vor erfolgreich. Die Finanzwirtschaft ist das Problem. Die Krise in Tokio zeigt, wie unsauber dort kontrolliert wird. Milliardenverluste aus Wertpapiergeschäften jahrelang innerhalb einer Bank hin- und herzuschieben, das wäre hier unmöglich.

Es gibt Befürchtungen, daß die japanischen Banken nun Teile ihres riesigen Anlagevermögens vor allem in den USA verkaufen, um ihre Verluste zu Hause abzudecken. Das könnte einigen Wirbel bei den Währungen und den Staatsanleihen auslösen.

Da habe ich keine große Sorge. Die japanischen Banken müssen doch irgendwo Geld verdienen, um ihre hausgemachten Schulden auszugleichen. Und das können sie in den USA. Sie nehmen Geld zu konkurrenzlos niedrigen Zinsen in Japan auf und legen es mit besserer Rendite zum Beispiel in US- Staatsanleihen an. Die japanische Nationalbank treibt mit ihrer Niedrigzinspolitik auf diese Weise eine Art Sanierungshilfe für die notleidenden Banken.

Mit den ganzen Problemen im eigenen Hinterhof – fällt Japan nun als der Retter der angeschlagenen südostasiatischen Wirtschaften und Währungen aus?

Japan hat es den Tigerstaaten schon bisher schwergemacht. Es hat wesentlich mehr in viele Länder verkauft, als es von dort importiert hat, und ist so teilweise verantwortlich für die Schuldenstände dieser Staaten. Gleichzeitig kann Japan aber durch seine undurchsichtige Finanzwirtschaft nicht für Stabilität in der Region sorgen.

Durch den starken Wertverlust der südostasiatischen Währungen werden die Exporte der betroffenen Länder billig. Sie haben also gute Chancen, aus der Krise herauszukommen.

Einerseits schon. Aber irgendwer muß dann auch die Güter aufnehmen, die wieder ein hohes Wirtschaftswachstum garantieren sollen. Und bei den Investoren in diesen Ländern sind durch die starke Abwertung der Landeswährungen erst einmal Verluste eingetreten.

Wen wird die Exportoffensive aus Südostasien treffen, wenn sie denn anrollen sollte?

Die stärksten Handelsbeziehungen hatten die Tigerstaaten mit Japan, den USA und Australien. Dorthin werden die jetzt billigeren Exporte aus Südostasien auch weiterhin am stärksten drängen. Den Anlegern an den internationalen Aktienmärkten präsentieren sich bei diesen Aussichten die europäischen Börsen als ratsames Anlageziel: Sie sind weniger mit Japan und den anderen asiatischen Ländern verflochten.

Interview: Reiner Metzger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen