: Zappa als Samenspender
■ Pomp-Rock, Prince-Funk, Country mit Goldrand: Ween verzaubern Trash in Pop und umgekehrt
Es wird behauptet, Amerikaner seien nur auf zwei Affären ihrer Partner stolz: auf die mit dem Gewehr und die mit der Gitarre. Da es in den USA keine vernünftige Guerilla mehr gibt, ist es die zweite Affäre, mit der es sich jung und frei sein läßt. Wobei Treue hier mit Mainstream bestraft und mit Geld gelindert wird, wogegen Untreue zu Bands wie Ween führt, die Pomp-Rock, schmocke Balladen, Prince-Funk, Westcoast, verbitterten Blues, Varieté-Musik, Country mit Goldrand und verkleideten Pop gleichermaßen über die Bettkante ziehen. Ob dies dann eine melancholische, ironische oder euphorische Affäre wird, entscheidet die Musik für sich. Ween akzeptieren es, solange es nicht zum Brudermord führt.
So arbeiten Aaron Freeman und Mickey Melchiondo seit mittlerweile sieben Jahren und fünf Platten. Mit wenigen Mitteln und zielgerichtetem Witz verknäulen sie die Allman Brothers, Tom Waits und die Residents in einem Stück, kauen Trash durch, bis es Pop wird und nehmen auch mal eine richtige Country-Platte in Nashville auf, die sie dann auch noch 13 Country Greats betiteln. Würden die Briten, die Erfinder des Spleens, nicht viel lieber schlanke Rock-Hits schreiben, müßte man Ween für Engländer halten. So aber kann man nur Frank Zappa als Samenspender des Duos aus New Hope, Pennsylvania anpeepen. Sein kantiger Gossenhumor als Ausleseprinzip für gute Rock-Skurrilitäten kann in Ween seine neuen Reporter benennen. Begann alles 1990 auf Good Ween Satan noch wie ein Jugendcamp im Cannabisfeld, wo schlechter Klang und windelweiche Rockspäße eine Pickelamplitude nach der anderen aufwarfen, so ist nach allerlei Zwischenstationen an Tankstellen für grellen Humor und große Plattensammlungen mit ihrem letzten Album The Mollusk der Punkt erreicht, wo man in Würde jung bleiben möchte. Vertrackte Kompositionen zu schmierigen Melodien geben den Ton an.Wir sind reife Kinder, uns ist die Kultur ein Supermarkt, und wenn jemand Probleme hat, daß wir die schleimtriefende amerikanische Rock-Ballade so seriös verwursten wie den irischen Schunkelsong im Guinness-Dunst, dann leckt uns. Daß in der kompositorischen Frickelmasse die Melodie den Ton angibt, erlaubt es dem gemeinen Musikfreund, Ween auch in einem Auto ohne Air-Bags in den Recorder zu werfen. Die Haut juckt dann auch ohne Unfall.
Von Daddelfredies wie Phish, die nach ähnlichen lexikalischen Prinzipien Musik treiben, unterscheidet Ween einfach der Sinn für den guten Popsong und die fehlende Notgeilheit, sich an technischer Fertigkeit einen abzugeilen. Eine Affäre, die sich lohnt.
Kees Wartburg
Di, 2. Dezember, 21 Uhr Markthalle
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