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Aufbruch verpflichtet

■ Herumzappeln, trotzig sein: Athol Fugards „Valley Song“, gespielt vom Grips Theater

Irgendwann, wenn die Kindheit ins Erwachsenenalter hinüberweht, kommen die Träume. Und wo sie schon einmal da sind, bleiben sie auch, wachsen und breiten sich aus, bis nichts mehr neben ihnen Platz hat. Veronica ist 17 und träumt von einer Zukunft als Sängerin. Träumt, wie ihre Stimme über das kleine Tal hinauswächst, in dem sie mit ihrem Großvater lebt. Träumt, wie ihr Gesang die Welt erfüllt, große Konzertsäle und fremde Herzen. So mächtig ist dieser Traum, daß er unwiderruflich nach Aufbruch schreit, aber auch nach Schmerz und Trennung.

Athol Fugards „Valley Song“ ist das erste Stück des weißen südafrikanischen Dramatikers nach dem Ende der Apartheid. Und Veronica ist die Figur, in der sich der ewige Aufbruch der Jugend mit dem der Schwarzen paart. So viel Aufbruch verpflichtet. Darum muß Abak Safeai-Rad in der deutschen Erstaufführung, die Carsten Kronenberg für das Grips Theater besorgt hat, eifrig herumzappeln, trotzig stampfen und vor Begeisterung mit den Armen wedeln. Kein Schwebezustand, eher Losmarschieren! Wenn sie zu Anfang hemdsärmelig und mit wandertauglichen Hosen die kleine Bühne der Schiller-Werkstatt mit fünf, sechs kraftvollen Schritten ganz durchmißt, da ist schon klar, wie alles enden wird: Kein Zweifel, daß Opa „Buks“ diesen brodelnden Orkan nicht halten kann. Als er es einmal versucht, gerät das Brodeln zum dumpfen Grollen und das seltsam schiefe Singen (Musik: Vusi Thusi) zu eisigem Schweigen.

Herman Vinck setzt als Buks und schreibender „Weißman“ (Fugard höchstselbst) dem raumgreifenden Spiel seiner Partnerin eine wohltuend ruhige Zerstreutheit entgegen. Buks Leben gehört der roten, durstigen Erde der „Karoo“ und den Kürbiskernen, die er zeitlebens darin versenkt hat. Das Draußen, die Welt ist für ihn nur der glühende Schlund, der schon seine Tochter verschlang. Und der heftige Stolz des jungen Südafrika trifft den „Sklaven des Landes“ (O-Ton Veronica) mitten ins Mark. Das Kämpfen ist seine Sache nicht. Er lebt seit je die Demut und die Liebe.

Das aber reicht nicht für seine Enkelin. Und reicht dann wieder doch. Denn als sie am Ende ihrem Traum folgt, weiß sie, wohin sie zurückkommen kann. Dem einsamen Alten bleibt derweil nur das Land, das inzwischen dem weißen „Master“ gehört. Und da, ganz am Ende, ein Hauch von Poesie: Ein grau gewordener Mann als zwei Männer, zwischen denen plötzlich so etwas wie eine Berührung ist. Eine Art Knuffen, freundschaftlich fast – und Zukunft scheint wieder möglich zu sein. Sabine Leucht

Heute, 5.–7.12., 19.30 Uhr, Schiller-Werkstatt, Bismarckstr. 110

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