Bunte Strickmützen

■ "mitteln. raum vor ort" ist ein ehrgeiziges Studentenprojekt im Bonner Kunstverein mit einer interessanten Entstehungsgeschichte

Bevor man heutzutage eine Ausstellung besucht, schaut man sich natürlich vorher die inzwischen obligatorische Homepage an. Selten allerdings wird dadurch der Anreiz verstärkt, wirklich hinzugehen. Man sieht in den meisten Fällen lediglich die Kopie dessen, was einem die gute alte Post schon als auf gutes altes Papier gedruckte Ankündigung ins Haus gebracht hat: Konzepte, Namen der KünstlerInnen, ein paar biographische Angaben, einige Bilder.

Bei einer Gruppenausstellung, die im Titel das Thema der Vermittlung von Kunst suggeriert, ist so etwas enttäuschend. Und weil „mitteln. raum vor ort“ insbesondere aber die Räume thematisiert, in denen Kunst stattfindet, ist es eine verschenkte Chance, das Internet als neuartigen Kunst-Raum nicht definiert zu haben.

Deswegen muß man doch ganz normal in den Bonner Kunstverein gehen. „mitteln“ ist ein ehrgeiziges Projekt und hat eine nicht uninteressante Entstehungsgeschichte. Die Ausstellung wurde in enger Zusammenarbeit des Kunstvereins mit dem kunstgeschichtlichen Seminar der Bonner Universität konzipiert. Zwischen beiden Häusern herrschen traditionell enge Verbindungen, weil StudentInnen als PraktikantInnen im Kunstverein und der dort ansässigen Artothek Erfahrungen im Kunstbetrieb sammeln.

Vor über einem Jahr begann also an der Universität ein Seminar, das zum Ziel hatte, eine Ausstellung zu erarbeiten. Das Thema stand fest und auch die Vorgabe, mit jungen KünstlerInnen zu arbeiten, war Bedingung für die finanzielle Unterstützung des Landes. Die angehenden KunstgeschichtlerInnen fuhren zusammen auf thematisch ähnliche Ausstellungen, besuchten Messen und Ateliers, bis sich schließlich dreizehn KünstlerInnen herauskristallisierten. Jedem Teilnehmer und jeder Teilnehmerin wurde von einem Studenten oder einer Studentin assistiert, gemeinsam wurden dann die jeweiligen Beiträge für den Kunstverein erarbeitet.

Das Konzept der Ausstellung betont den Unterschied zwischen Raum und Ort. So beschäftigen sich einige KünstlerInnen mit dem Raum als dreidimensionale Herausforderung, die das Gebäude des Bonner Kunstvereins stellt (Ulrike Kessl, Marc Mer, Tomoko Mukai). Mit seinem niedrigen Vorraum und einer voluminösen Halle ist der bekanntlich nicht einfach zu handhaben.

Die Mehrzahl der TeilnehmerInnen hat sich aber für den Kunstverein als Ort der Ausstellung interessiert (Thomas Klegin, Andrea Knobloch, Norbert Kottmann, Christiane Post). Dabei stand die Auseinandersetzung mit seiner Geschichte und seinem institutionellen Charakter im Vordergrund.

Institutionskritik ist in die Jahre gekommen und vermag sich angesichts der Abhängigkeit von Kunstvereinen, Jurys, KuratorInnen etc. lediglich noch in die ironische Geste zu retten. So änderten Dellbrügge & de Moll die Aufschrift über der Eingangstür und behaupten: „Wir arbeiten an der Peripherie.“ Daß sich Kunstvereine trotz der finanziellen und kulturpolitischen Abgründe, an denen sie stehen, noch immer im Zentrum bürgerlicher Kunstgeschichte befinden, ist der Hintergrund der neuen Eingangsbeschriftung.

Teil dieser Arbeit sind zudem bunte Strickmützen mit gestickter Aufschrift „Peripherie“. Mit ihnen kann man als BesucherIn durch die Ausstellung gehen: So werden die Mützen zu Denk-Räumen, und als solche sind sie als zentraler Bestandteil einer baldigen Einzelausstellung des Kunst-Paares eingeplant. Das ist ein schönes Gleichnis für das Re-Investieren eines gemeinschaftlich erarbeiteten Ertrages in das Fortkommen des einzelnen.

Fast schon traditionelle Kontext-Kunst bietet Coop von Osten. Sie hat sich mit der Ideologie von Haus Rucker Co. auseinandergesetzt, die den Umbau einer einstigen Blumenhalle zum Bonner Kunstverein konzipiert haben.

In den siebziger Jahren hat das aus Wien stammende Architektenbüro mit seinen Konzepten für „Mind-Expander“ und dergleichen noch auf die Verbesserung des Lebens durch Architektur gezielt und die von ihnen gestalteten Räume mit Verhaltensregeln versehen.

In einem Video folgt von Osten ihren Anweisungen, wie Frauen zum Beispiel zu sitzen haben, um als bessere Menschen wieder in den Alltag zurückzugehen. Diese autoritäre Geste im Gewande gesellschaftlicher Utopie bringt die Künstlerin mittels aufgehängter Texte in Verbindung mit aktuellen Phänomenen. In der derzeitigen „Fit for Fun“-Welle beispielsweise stecke eine vergleichbare Verbindung von Reglement und Spaß.

Geht man zum Eingang des Kunstvereins zurück, fällt einem dann vielleicht noch die unscheinbare Arbeit von Hee Seon Kim auf. Mittels einer simplen Diaprojektion mischt sie Ein- und Ausgangsbereich durcheinander, spiegelt Blicke und untergräbt die sichere Orientierung. Souverän spielt sie mit der architektonischen Vorgabe und löst den Raum aus dem Ort heraus, unter dessen Gewicht die meisten Arbeiten ächzen: Raum vor Ort. Martin Pesch

Bonner Kunstverein, bis 25. 1. 98