: „Im Leben ist gar nichts sicher“
■ Die Belegschaft von Ortmann + Herbst macht Druck auf den Senat
„Ortwin, Ortwin, Ortwin“, schallte es über den Rathausplatz. „Bring den Wachtelkönig raus und den Stadtsäckel gleich mit“, riefen etwa 300 Beschäftigte der Steilshooper Noch-Maschinenbau-Firma Ortmann + Herbst (O+H). Doch Bürgermeister Ortwin Runde kam gestern nicht aus dem warmen Rathaus heraus, um die Forderungen der demonstrierenden Belegschaft entgegenzunehmen.
Die erinnerte mit ihrer Aktion den Senat an die Versprechen des ehemaligen Wirtschaftssenators Erhard Rittershaus, sich für die 530 Beschäftigten von O+H einzusetzen. Sie fordern vom Senat, Druck auf den Sequester auszuüben. Der designierte Konkursverwalter soll sich schon ab 1. Dezember, dem definitiven Ende der Firma, mit vier Millionen Mark aus der Konkursmasse an einer Auffanggesellschaft beteiligen. Und die Bemühungen des potentiellen Käufers „Crown“müßten unterstützt werden, damit 120 Arbeitsplätze gesichert würden.
„Wir wollen unser Geld“, erklärt Manfred Richter. Seit drei Monaten haben er und seine KollegInnen nur eine Abschlagszahlung erhalten. Das ausstehende Geld ist in Gefahr. Vom Sequester sei vorgeschlagen worden, die Auffanggesellschaft erst am 1. Januar zu gründen. „Dann verlieren die Beschäftigten das Konkursausfallgeld für September“, erklärte Betriebsratsvorsitzender Heinz Sorgatz. Der Se-quester Hinnerk-Joachim Müller verneinte gestern, einen solchen Vorschlag gemacht zu haben. Auf die Frage, ob es denn im Januar zu einer Auffanggesellschaft kommen könne, erklärte er: „Im Leben ist gar nichts sicher.“Vielleicht finde sich aber noch ein Bürge für das fehlende Geld aus der Konkursmasse.
Für Detlef Hartmann, Vertrauensleutevorsitzender der IG-Metall, vermutet hinter diesen Äußerungen den Versuch, mit finanziellem Druck die Belegschaft zur Aufgabe zu zwingen. Müller habe offen geäußert, „es wird mir gelingen, die Leute dazu zu bringen, Auflösungsverträge zu unterschreiben“. Die zu unterschreiben, wäre ein Fehler, so Hartmann: „Die Leute verlieren damit die Möglichkeit, in die Auffanggesellschaft zu kommen.“
Den Beschäftigten sind solche juristischen Feinheiten mittlerweile egal. Auf der heutigen Betriebsversammlung, zu der sich Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) angekündigt hat, möchten sie Konkretes hören. Sie wollen nicht weiter „bitte, bitte bei der Bank sagen müssen“, wie es Manfred Richter ausdrückt.
Ralf Streck
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