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Noch dreimal ein volles Gehalt

Ortmann + Herbst: Im Januar wird der Konkurs eröffnet. Ab nächster Woche gibt's nochmal Lohn. Stadt bürgt mit 500.000 Mark  ■ Von Heike Haarhoff

Die eine Hand rollt Packpapier über Tapeziertische; die andere beschwert die Tischdecken mit Kerzen. Überraschungseier baumeln am Tannenbaum in der stillgelegten Maschinenhalle in Steilshoop. Vorbereitungen für eine Weihnachtsfeier bei Ortmann + Herbst.

Zur gleichen Zeit erfahren die 530 Getränke-Anlagenbauer auf der Betriebsversammlung, wie das heruntergewirtschaftete Unternehmen abgewickelt wird: „Alles was wir tun konnten, haben wir getan“, erklärt Betriebsratsvorsitzender Heinz Sorgatz seinen Kollegen. Deren Stimmung ist alles andere als weihnachtlich: Das Aus war nicht mehr rückgängig zu machen. Deswegen wird das Konkursverfahren am 1. Januar eröffnet, verkündet der designierte Konkursverwalter, Hinnerk-Joachim Müller. „Was ist mit unseren Gehältern?“, schallt es erbost zurück.

Seit drei Monaten haben die Angestellten keinen Lohn bekommen; „10.000 Mark Schulden sind da gar nichts“, sagt einer. Der eigens angereiste Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) sucht zu schlichten: Nächste Woche werden die Oktober- und Novembergehälter sowie das Weihnachtsgeld ausgezahlt, verspricht er. Die Stadt bürgt mit 500.000 Mark gegenüber den Banken, damit diese das Konkursausfallgeld umgehend auszahlen.

Das September-Gehalt dagegen scheint verloren: Der Rechtsanspruch auf Konkursausfallgeld besteht nur für die drei Monate vor der Konkurseröffnung. Doch am 1. Dezember konnte nicht Konkurs angemeldet werden, erläutert Betriebsrats-Anwalt Olaf Scholz: „Dazu hätten vier Millionen Mark in den Kassen sein müssen.“Bis Januar will der künftige Konkursverwalter das Geld durch Maschinen-Verkäufe zusammen haben.

Zeitgleich wird für die Dauer von mindestens neun Monaten eine private Auffanggesellschaft gegründet, die sich aus städtischen und europäischen Mitteln sowie der Konkursmasse finanziert. Sie soll möglichst vielen O+H-Mitarbeitern Fortbildungen, Umschulungen oder neue Jobs vermitteln. Bis nächste Woche müssen sich die Beschäftigten entscheiden, ob sie zu einem abgespeckten Gehalt bei der Auffanggesellschaft anfangen oder gehen wollen. Der Betriebsrat rechnet mit 400 Interessierten: „Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist für Diplom-Ingenieure nicht gut“; die Angebote der „Jobbörse“im Flur von O+H sind nicht gerade vielversprechend.

„Es war eine Illusion zu glauben, 400 Arbeitsplätze retten zu können“, sagt Sorgatz. Mit „guten Chancen“rechnet er hingegen bei der amerikanischen Getränke-Anlagenfirma „Crown“– die soll sich Mitte Dezember dafür entscheiden, Teile des Hamburger Betriebs zu übernehmen. 120 Angestellte würden so weiter beschäftigt.

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