Mehr schwitzen statt sitzen

■ Sport ist Mord oder Fit for Fun? Untersuchungen zeigen, daß regelmäßige Bewegung nicht nur den Körper widerstandsfähiger macht, sondern auch das persönliche Wohlbefinden fördern kann

Der eine rennt jeden Morgen durch die Grünanlage, die nächste hetzt von der Arbeit ins Studio und stemmt ein paar Hanteln. Andere verbringen immerhin ihre Arbeitszeit auf einem Fitneßball oder üben sich in Treppentraining. Anders als früher, als der gemeine Mensch noch froh über jede Verschnaufpause war, gehört im Zeitalter von Autos, Lifts, elektrischem Rasenmäher und Fernbedienung zu körperlicher Bewegung reichlich Eigeninitiative.

Und an der mangelt es offenbar nicht: Über ein Drittel der Bundesbürger sind Mitglied in einem Sportverein. Die Hälfte fährt regelmäßig oder öfter mal Fahrrad. Ein Viertel geht mindestens einmal pro Woche schwimmen. 1,8 Millionen Bundesbürger trainieren regelmäßig im Fitneßstudio. 97 Prozent derer, die ihre Freizeit in Sporthallen oder Trimm-dich-Pfaden verbringen, wollen vor allem eines: gesund bleiben.

Daß Sport nicht gleich Mord ist und Bewegung das Körpergefühl bereichert, ist inzwischen nicht nur unter Sportmedizinern Konsens. Schon seit den 50er Jahren sind Generationen von Wissenschaftlern damit beschäftigt, diese Erkenntnis empirisch zu untermauern. Damals fand der Engländer Jeremy Morris heraus, daß Londoner Busfahrer häufiger herzkrank werden als Schaffner, die regelmäßig die Treppen in den Doppeldeckern rauf- und runterwetzen. Später wurde in diversen Versuchskonstellationen, in denen strampelnde Probanden auf Sauerstoffverbrauch, Stoffwechsel und Blutdruck überprüft wurden, nachgewiesen, daß die menschlichen Organe leistungsfähiger werden, wenn sie stärker gefordert werden.

Kaum belegbar ist hingegen die verbreitete These, daß länger lebt, wer sich regelmäßig bewegt: Schließlich ist kaum verifizierbar, wann jemand gestorben wäre, wenn er weniger trainiert hätte. Auch ist schwer zu ergründen, ob Menschen gesund bleiben, weil sie sich viel bewegen oder ob sie sich viel bewegen, weil sie gesund sind.

Eine Mammutstudie des US- amerikanischen Gesundheitspapstes Cooper, bei der über 13.000 Männer und Frauen acht Jahre lang regelmäßig untersucht wurden, kam 1989 allerdings zu einem überraschenden Ergebnis: Danach ist für Gesundheit und ein längeres Leben nicht entscheidend, daß der Proband zu den extrem fitten gehört. Statt dessen senkt der Schritt von „komplett untätig“ zu „mittelmäßig fit“ die Krankheitsraten auf breiter Front.

Denn es gilt als erwiesen, daß die in westlichen Gesellschaften am häufigsten auftretenden Krankheiten unmittelbar mit einem Mangel an Bewegung zusammenhängen. Problem Nummer eins: Fettleibigkeit. Durch eine „sitzende Lebensweise“ werden überschüssige Kalorien im Körper nicht abgebaut. Laut US-amerikanischen Studien ist schon eine Überschreitung des Idealgewichts um 20 Prozent für den menschlichen Körper richtiggehend gefährlich. Bluthochdruck ist eine der harmloseren Folgen. Schwerer wiegt, daß Übergewicht den Cholsterinspiegel in die Höhe treibt – und ein erhöhter Cholesterinspiegel ist eine der Hauptursachen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Durch körperliche Bewegung wird nun sowohl der Blutdruck als auch der Cholesterinspiegel im Blut gesenkt. Außer Sportmedizinern verweisen auch immer mehr Körpertherapeuten auf die heilende Wirkung körperlicher Ertüchtigung. Seit den 70er Jahren beschäftigt sich die Wissenschaft auch mit den Auswirkungen des Sports auf die psychische Gesundheit. Mehrere Studien weisen darauf hin, daß regelmäßige Bewegung zur Steigerung des persönlichen Wohlbefindens beiträgt. Vor allem Angst- oder Depressionszustände werden gemildert.

Eine Querschnittsstudie der US-Amerikaner Catherine Ross und Diane Hayes beobachtete 1988, daß 401 Einwohner des Staates Illinois weniger zu Depressionen und psychosomatischen Beschwerden neigten, nachdem sie eine Zeitlang regelmäßig Sport getrieben hatten. Psychologen haben gleich zwei Erklärungen dafür parat, daß Sport das Wohlbefinden steigert: Die erste argumentiert, daß, wer Sport treibt, abgelenkt ist und sich nicht mit stupiden Alltagsfrustrationen beschäftigt. Die zweite verweist darauf, daß sportliche Betätigung das Selbstbewußtsein stärkt; schwierige Situationen werden bewältigt, das eigene Verhalten als „fit“ im doppelten Sinne erlebt. Jeannette Goddar

Literatur: Gertrud Pfister: „Fit und gesund mit Sport“, Berlin 1996; Doris Küpper/Lutz Kottmann: „Sport und Gesundheit“, Schorndorf 1991; Hans-Jürgen Schulke: „Gesundheit in Bewegung“, Aachen 1992