■ Kulturrevolution nötig: Hospitäler zu Hotels
Das Gesundheitswesen steht unter Reformdruck. Der Patient sieht sich einem schwer durchschaubaren Geflecht von Krankenhäusern und -kassen, Pharmaproduzenten und Ärzten gegenüber – dem „medizinisch-industriellen Komplex“. Dessen Arbeit entzieht sich naturgemäß einer unmittelbaren Kontrolle durch den Kunden: Der Heilbedürftige weiß wenig von dem, wie die „Halbgötter in Weiß“ ihn behandeln. Und er hat schon gar keinen Einblick in die Kosten, die dabei entstehen.
Beide denkbaren Extremvarianten der ökonomischen Gestaltung des Gesundheitswesens verbieten sich: Die korruptionsverdächtige Planwirtschaft genauso wie der reine Wettbewerb, der quacksalberischen Symptombehandlern Tür und Tor öffnen würde. Daher finden auf allen Ebenen Reformversuche statt.
Simple Kontrolle scheint zunächst nötig, um den Dagobert Ducks unter den Ärzten das Handwerk zu legen. Millionenschwere „Nebeneinkünfte“ sollen beschnitten werden.
Sodann ist man bemüht, die Quasi-Behörden Krankenkassen effizienter zu machen. Schließlich geht es darum, die gleichfalls bürokratisch organisierten Krankenhäuser wirtschaftlicher und patientenorientierter zu führen. Darüber gibt es öffentlichen Streit: Die CDU- regierte Gesundheitsverwaltung möchte die Hospitäler privatisieren. Die SPD dagegen will die Krankenhäuser „wirtschaftlich verselbständigen, ohne sie aus der politischen Steuerung“ zu entlassen. Und die Wohlfahrtsverbände wollen die 11 städtischen Krankenhäuser gleich komplett übernehmen und daraus einen gigantischen Sozialkonzern machen. All diese Vorstellungen müßten mit einer Binnenreform der Krankenhäuser einhergehen, die sie – wie Hans-Jochen Brauns vom Paritätischen Wohlfahrtsverband meint – in Hotels verwandelt. Vielleicht das schwierigste Unterfangen, weil es dazu einer Art Kulturrevolution bedarf. cif
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