Mehr als bloß Schnitzel

■ Im Schwein schlägt fast ein Menschenherz! Einen ganzen Abend widmet sich arte am Sonntag dem haßgeliebten Wesen (ab 20.45 Uhr)

Diese Schweine! Unsportliche Freßsäcke, die sich nie waschen. Sitzen immer nur vorm Fernseher und grunzen zufrieden. Dieses Wochenende zum Beispiel über den arte-Themenabend. Denkwürdiges über das Schweinsein bieten da Malcolm Mowbrays „Magere Zeiten“ und drei deftige Dokumentationen. Denn wenn Leah Gordon und Anne Parisio in ihrer Dokumentation „Das verlorene Schwein“ (23.35 Uhr) gleichsam selbst in die Rolle von Trüffelsuchern schlüpfen und den Themenabend damit beschließen, das gut versteckte haitianische Schwarzschwein aufzuspüren, ist uns das Schwein vielleicht mehr als bloß Schnitzel. In Fréderic Fougeas herzerwärmendem Doku- Kurzfilm „Gaston und das Trüffelschwein“ (22.15 Uhr) labt sich Kiki, das Charakterschwein des alten Gaston, nachts heimlich an den Trüffeln des Nachbarbauern. Deshalb ist tagsüber der mit kostbaren Fremdpilzen vollgestopfte Kiki die Pflichttrüffelsuche satt – und Gaston ratlos...

Um 22.40 Uhr dann fragt Gilles Stassart „Ist das Schwein ein Schwein?“ – und erkundigt sich bei Fachleuten aller Art nach dem ambivalenten, haßgeliebten Wesen. Wie sieht es zum Beispiel in einem Schwein aus? Ärzte spiegeln im OP einen narkotisierten Schweineleib, und siehe da: In ihm schlägt beinah ein Menschenherz! Wir sehen Forscher an quietschsauberen Versuchsobjekten experimentieren. Wird das Schwein der Organspender der Zukunft?

Seit jeher haftet dem Schwein ein speckiges Image an, ganze Religionsgruppen meiden sein Fleisch. Doch der Bericht beweist: das Borstentier hat auch leidenschaftliche Anhänger. Die befragten ländlichen Schweinezüchter und -freunde etwa erwähnen seine vortreffliche Eßbarkeit, loben in Oden Sülzgericht und Grützwurst und behaupten sogar, das Tier besäße eine natürliche Eßbremse.

Immer wieder schmiegen sich schmutzverkrustete Schweineköpfe mit schlackernden Schweineohren dicht an die Linse. Landschweine lagern idyllisch in sonnigen Koben und laufen anmutig über Äcker, während zwischendurch Bilder eingeblendet werden, bei denen glibbriges Rüsselhack mit Kräutern in eine harmlos wirkende Pastete verwandelt wird. Weniger gemütlich sind allerdings die grausigen Szenen aus der industriellen Schweineverarbeitung, wo die Kameraeffekte längst vergrabene Erinnerungen an die dampfschwadengeschwängerte Fabrikästhetik einschlägiger Achtziger-Jahre-Musikvideos freischaufeln. Unter gellendem Quieken werden die rosa Tiere anonym und automatisch ins Jenseits befördert, ehe man sie an den Haxen aufhängt und mittels kreischender Sägeblätter entzweischneidet. Beim ländlichen Abstechen eines Einzelschweins indessen wahrt die Kamera diskret Abstand. Daß am Ende dennoch alles gut wird, zeigt das himmelwärts schwebende Schwein im Abspann, vermutlich unterwegs zu den Dreharbeiten von „Schweine im Weltall“. Monie Schmalz