: DDR-Unrecht verjährt erst 2000
■ Parteiübergreifend verlängerte der Bundestag die Verjährungsfristen. Die Neuregelung gilt für alle Straftaten. PDS trat als Gegnerin auf. Skeptiker anderer Parteien blieben im Bundestag still
Bonn (AP/taz) – Straftaten des SED-Regimes und Vereinigungskriminalität können weiter verfolgt werden. Der Bundestag schob gestern mit Stimmen aus Koalition und Opposition die Verjährungsfrist für sogenannte mittelschwere Straftaten in Ostdeutschland erneut hinaus: Alle in der DDR und den neuen Ländern begangenen Delikte, für die die Höchststrafe fünf Jahre beträgt, verjähren künftig erst am 2. Oktober 2000. Die SPD konnte sich mit ihrem Antrag, darüber hinaus die Verjährungsfrist für Wirtschaftsstraftaten unabhängig vom Tatort zu verlängern, nicht durchsetzen.
Der SPD-Abgeordnete Rolf Schwanitz warb mit den Worten für Zustimmung zum Gesetz: „Wir stehen vor einer Welle von neuen Fällen.“ Zahlreiche Straftaten hätten aus Zeit- und Personalgründen nicht verfolgt werden können. Mehrere Grünen-Abgeordnete stimmten dem Gesetz trotz „erheblicher rechtspolitischer Bedenken“ ebenfalls zu. In der Bundestagsdebatte meldete sich nur die PDS als Gegnerin der Neuregelung zu Wort. Ihr Abgeordneter Uwe-Jens Heuer kritisierte, das Gesetz schaffe „zwei Strafrechtszonen“ in Deutschland, weil es in den neuen Ländern für alle Delikte gelte, im Westen dagegen überhaupt nicht. Die Kritiker aus Koalition und SPD hatten ihre Bedenken lediglich in Interviews zuvor geäußert.
Die Zustimmung des Bundesrates ist für dieses Gesetz nicht erforderlich. Aber auch bei sogenannten Einspruchsgesetzen kann die Länderkammer den Vermittlungsausschuß anrufen – dann würde alles plötzlich sehr eng. Denn ein Gesetz, das die Verjährung bestimmter Straftaten verlängert, muß natürlich in Kraft treten, bevor die Verjährung tatsächlich eingetreten ist. Wie die Stimmung im Bundesrat sich entwickelt, ist derzeit noch nicht abzusehen. Gestern allerdings wurde ein Antrag Thüringens auf sofortige Abstimmung abgelehnt. Nun kann sich die Länderkammer frühestens am 19. Dezember damit beschäftigen. chr
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