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Geist und Geilheit, subversive

Der Frankfurter „Zeichner-Schreiber“Robert Gernhardt wird nächste Woche 60 Jahre alt.

In Hamburg feiert der begnadete Satiriker schon heute

Die Selbstfindung des Dichters Robert Gernhardt liest sich wie folgt: „Ich weiß nicht, was ich bin./ Ich schreibe das gleich hin./ Da hab'n wir den Salat:/ Ich bin ein Literat.“Auch der Zeichner Gernhardt schafft bemerkenswerte Gestalten, z. B. den legendären Kragenbären, „der holt sich munter, einen nach dem andern runter“. Großartig ist das, aber der Multikünstler bleibt bescheiden: Einen „Zeichner-Schreiber“nennt sich schlicht. „Ich reagiere auf Bilder schreibend, und ich reagiere auf Zeilen zeichnend.“

Gernhardts größtes Kapital aber ist satirisches Vermögen, und es hat dem Mitbegründer der Neuen Frankfurter Schule im Pantheon der Satiriker einen Ehrenplatz eingebracht. Zwar weiß der bald 60jährige, daß die Satire „eine antiquierte Kunstform“ist, der „unauslöschlich das Stigma der Besserwisserei eingebrannt“ist. Dieser Tatsache zum Trotz gehören Gernhardts Satiren aus pardon und aus der von ihm mitgegründeten Titanic zum Repertoire jedes selbstdenkenden Deutschen;. Nach dem Motto: Das Gegenwärtige ist das Widerwärtige. Aber warum nicht gnadenlos darüber lachen?

Im fortwährenden Dialog mit der literarischen Tradition kalauert, knittelt und dichtet Gernhardt zur Erheiterung des Publikums im Wörtersee oder in der Trilogie des laufenden Schwachsinns. Sein immenser Wissensschatz wird klug und selbstverständlich ohne falsche Ehrfurcht verbraten. Das Sonett Materialien zu einer Kritik der bekanntesten Gedichtform italienischen Ursprungs etwa beginnt mit der Zeile „Sonette find ich sowas von beschissen“. Und dementiert diese Absage an die lyrische Form im Folgenden durch ihre meisterliche Beherrschung.

Seit 1962 gelingt Gernhardt die Wechselwirkung von gelacht und nachgedacht. Changierend zwischen Geist und Geilheit, zwischen Hintersinn und Blödsinn, liefern seine Sprüche, Verse und Bildergedichte saukomisches und subversives Geistesfutter. Von der Literaturwissenschaft lange als Leichtgewicht unbeachtet geblieben, ist Gernhardt zwar in aller Munde, vom akademischen Betrieb jedoch arg vernachlässigt.

Schon in Weiche Ziele war der Tod ein Vertrauter Gernhardts, was mit dem Sterben seiner Lebens- und Schaffenspartnerin Almut Gernhardt zusammenhing. Die gedanklichen Helligkeiten seiner jüngsten Veröffentlichung Lichte Gedichte entstanden in der Zeit vor und nach einer Herzoperation. Gernhardt weiß: Das beste Wort hat der Dichter, doch das letzte Wort wird ein anderer haben.

Die Dialektik von Leben und Tod mündet in trotziger Melancholie: „Es ist nicht schön, wenn man begreift:/ Du bist nur gealtert, du bist nicht gereift.// Es führt nicht weit, wenn man erkennt:/ Was du auch anfängst, es ist der Anfang vom End.// Es baut etwas auf, wenn man bedenkt:/ Mit dem Tod bekamst du das Leben geschenkt.“Wie Gernhardt am 13. Dezember 1937 mit dem Leben, ist das Publikum mit dem Werk Robert Gernhardts beschenkt worden. Und der Dank verbindet sich mit herzlichen Glückwünschen.

Frauke Hamann

Robert Gernhardts Werke sind im Zürcher Haffmans-Verlag erschienen. Geburtstagsgala: heute, 20 Uhr, Abaton-Kino. Glückwünsche überbringt Jan Philipp Reemtsma, dann liest Gernhardt eigene Texte, außerdem ist sein Lieblingsfilm „Der Lauf der Dinge“(Regie: Fischli/ Weiss) zu sehen.

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