■ Nachschlag: „The Body Trade“ im Stükke
Szenen aus dem Ersatzteillager Foto: David Baltzer/Sequenz
TV-Stars im Publikum und auf der Bühne sind im Off-Theater eher selten. Bei der Premiere von Deborah Levins „The Body Trade“ im Kreuzberger Stükke amüsierte sich auch Hans Meiser, und Ulrike Folkerts zeigte den Zuschauern, daß sie weit mehr draufhat als die ewig toughe Kommissarin Lena Odenthal.
Zwei Nutten unterhalten sich über ihre Freier, und schon kommt der nächste und guckt, was der Strich gerade zu bieten hat. Ein Modellauto surrt mit leuchtenden Scheinwerfern über die Bühne. Das Regieduo Ulrich Simontowitz (ehemals Walser Ensemble) und Johannes Steinbrückner zeigen gleich in der ersten Szene, daß sie uns in den kommenden 21/2 Stunden keineswegs mit blankem Realismus behelligen wollen. Der Bühnenerstling der Britin ist alles andere als dozierendes Thesen- und Dokumententheater, auch wenn das Thema (Organhandel) das nahelegen würde. Fünf Menschen sind miteinander verstrickt: Die einen verscherbeln den Menschen als Ersatzteillager, die anderen machen ihren Körper zur sexuellen Ware. Alle wollen nach oben oder haben Angst vor dem Fall von der sozialen Leiter. Die ganz unten sind, werden zu Opfern. „Abschaum“, sagt Sid, und beginnt die Penner, Junkies und Säufer aufzulesen, damit sie portionsweise – Leber, Nieren, Eizellen – verhökert werden können. Und wer nicht Opfer wird, ist letztlich doch korrumpierbar, da hilft keine noch so artige Moral.
Was das englische Kino so erfolgreich und erfrischend macht – der direkte Blick auf soziale Verhältnisse, verbunden mit lebensechten Charakteren sowie sarkastisch-witzigen Dialogen –, findet sich alles auch in „The Body Trade“. Rotzig, schamlos und mit bösen Pointen wird die soziale Realität der Figuren konterkariert. Das nimmt dem Stück jede moralinsaure Bedeutungsschwere und gibt ihm im Gegenzug einen unterhaltsamen Drive, der weder in anbiederndes Entertainment noch in boulevardeske Banalität abgleitet.
Der Regie steht ein sechsköpfiges Ensemble zur Verfügung, das weder Starallüren noch Schwachpunkte kennt. Sogar Szenen, die zur Selbstdarstellung und Schauspielübung mißraten könnten – etwa die delirierende Säuferin (Michaela Hinnenthal) oder der prollhafte Macho (Nicolas Weidtmann) –, bleiben glaubwürdig.
Eine inhaltlich wie spielerisch überraschende Produktion, die auf den Prominenzbonus gar nicht angewiesen ist. Axel Schock
Bis 18. Januar, Mi.–So., 20.30 Uhr, im Stükke, Hasenheide 54
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