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FC Union-Präsident funkt ein SOS

■ Rund fünf Millionen Mark Schulden strangulieren den Verein. Die Spieler bekommen nur noch Abschlagszahlungen, und ein neuer Sponsor ist weit und breit nicht in Sicht

Vor kurzem lud die neue Führung des Fußballklubs Union Berlin ein Dutzend Vertreter mittelständischer Firmen zu einer Müggelsee-Tour ein. Noch bevor die „MS Babelsberg“ in Köpenick ablegte, funkte Union-Präsident Heiner Bertram SOS. „Wir brauchen Ihre Unterstützung, sonst ist der Verein nicht mehr zu retten.“

Anders als die meisten seiner Vorgänger, die den populären DDR-Pokalsieger von 1968 durch dunkle Machenschaften und ungedeckte Finanzetats gründlich abwirtschafteten, legt Bertram die alarmierenden Fakten schonungslos auf den Tisch: Rund 5 Millionen Mark Schulden strangulieren den Verein. Wenn diese Schlinge nicht rasch gelockert wird, bleibt dem Verein wohl nur der bittere Gang vor den Konkursrichter.

Bertram übernahm Ende September „aus Abenteuerlust“ den undankbaren Job in der Wuhlheide und putzt seitdem die Klinken hauptstädtischer Wirtschaftsunternehmen. Zeit ist Geld: Allein die monatlichen Lohnkosten für die Mannschaft belaufen sich auf 200.000 Mark. Theoretisch, denn praktisch haben die Spieler seit Monaten nur Abschlagszahlungen auf ihre Gehälter bekommen.

„Manchmal weiß ich echt nicht mehr, wovon ich mein Essen bezahlen soll“, gesteht Almedin Civa, einer der Leistungsträger im roten Trikot. Zum Glück, erzählt der Bosnier, der mit sieben Monaten nach Berlin kam, müsse er seine Verwandten im früheren Kriegsgebiet um Sarajevo nicht mehr unterstützen. Zwar locken Profivereine wie Uerdingen und St. Pauli den 25jährigen, aber Union entläßt ihn nicht aus seinem bis 1998 laufenden Vertrag.

Bis Weihnachten will die Mannschaft noch stillhalten, dann möchte sie wissen, ob ihr Arbeitgeber noch eine Zukunft hat. Falls nicht doch noch ein kleines Wunder geschieht, dürfte sie sich in alle Himmelsrichtungen zerstreuen. „Wir brauchen dringend einen Hauptsponsor“, erklärt Bertram, in dessen Terminkalender „25 bis 30 Termine“ in den Vorstandsetagen ortsansässiger Firmen stehen. Daß er sich bis dato nur wenige Absagen einhandelte, wertet er als kleinen Hoffnungsschimmer.

Der US-Konzern Nike hingegen, der im März unter großem PR-Getöse als selbsternannter „Retter“ einstieg, fungiert nur noch als Ausstatter. Die vom Weltunternehmen bezahlte Stelle eines Managers bei Union wurde ersatzlos gestrichen. Der heutige Amtsinhaber, Jürgen Dubois, arbeitet ebenso ehrenamtlich wie Geschäftsführer Hans-Joachim Jung, der wie sein Chef Bertram ein leibhaftiger Bundeswehr-Oberstleutnant ist.

Die Berliner Wirtschaft zeigt sich zwar angetan vom Goodwill der neuen Union-Führung, hält sich aber mit konkreten Hilfsmaßnahmen weitgehend zurück. „Natürlich würden wir gerne helfen“, erklärt Eberhard Hause vom „Bund der Selbständigen“, „aber gerade im Ostteil der Stadt hat kein Betrieb etwas zu verschenken. Außerdem hat Union einige Sponsoren gründlich verprellt.“ Dieser real existierende Imageschaden, den großmannssüchtige Vereinsmeier in der Vergangenheit anrichteten, ist Bertrams größte Hypothek, die der Oberstleutnant von Köpenick nun abtragen muß. Mit Aufatmen registrieren die Fans im Stadion „Alte Försterei“, daß sich wenigstens die Werbebanden am Spielfeldrand allmählich füllen. Aber von Entwarnung kann in der Wuhlheide längst noch keine Rede sein.

Was wäre, wenn? Es wurden bereits Krisenpläne ruchbar für die Zeit nach dem sportlichen Super- GAU in Köpenick. Schon im September verhandelten Unioner mit Vertretern des Lokalrivalen Köpenicker SC, der in der Oberliga – nur eine Etage unter dem populären 1. FC Union – angesiedelt ist. Das Szenario für den Konkursfall sah vor, daß beide Klubs fusionieren sollten, um dann in der Oberliga unter dem Namen „SC Union“ einen neuen Anlauf in Richtung Profilager zu unternehmen, der den großen 1. FC Union an den Rand des Bankrotts getrieben hat. Der unzweifelhafte Vorteil dieses Zusammengehens wäre, daß der neue Verein schuldenfrei an den Start gehen könnte.

Allerdings legen sich Mitglieder des „KSC“ quer, die ihre seriöse Klubleitung durch Übernahme des Union-Erbes in Gefahr wähnen. Jürgen Dubois, einer der Kämpen in der „Alten Försterei“, scheint die Nase inzwischen gestrichen voll zu haben von den vielen Krisengipfeln, die bisher zu nichts führten. Er setzt auf den großen Wurf bei der Suche nach einem potenten Hauptsponsor für seinen „1. FCU“. „Wenn sich bis zum Jahresende nichts tut, können wir den Laden dichtmachen“, stellt er nüchtern fest. Jürgen Schulz

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