Das Studio des Oskar Sala

■ Berliner Zimmer, Teil 2. Eine Besuchsreihe von Falko Hennig

Oskar Sala:

Diesen Raum hier habe ich nicht gemietet, das ist ja mein Bungalow. Da können Sie lange suchen, bis Sie einen Raum finden, der so ist. Ich hab' es nicht nur abgedämmt, erst mal mußten die vielen Bänder untergebracht werden, und dann haben wir da hinten noch Styropor angebracht, weil die Wand hier nicht sehr dick ist. Wenn ich hier laut rede, dann hat die Dame von nebenan schon nichts zu lachen, wenn sie da ist. Aber das ist hier noch nie ein Streitpunkt gewesen, ich pass' da schon auf. Ich hatte mein Studio früher in dem Filmhaus in Ruhleben, 25 Jahre oder was. Hier drin bin ich seit kurz vor der Wende. Seitdem bin ich nicht wieder umgezogen. Und so kam das Trautonium hier rein, einfach aus meinem früheren in dieses Studio.

Ich hab' ja noch meine Wohnung in der Leistikowstraße. Ich bin ein Pendelpendler, ein Fußpendler (lacht). Auto lohnt sich gar nicht, im Gegenteil, das Laufen is' sehr gut. Ich hab' es heut früh wieder gemerkt, wenn man stramm läuft, gehen wieder hundert Gramm runter (lacht). Das Trautonium braucht nicht viel Strom, je nachdem; wenn ich hinten einen großen Verstärker anschalte, dann wird es ein bißchen mehr. Das ist ja eine neue Konstruktion, diese Technik ist nicht mehr von mir. Die anderen Dinger, die Sie auf den Bildern an der Wand sehen, das waren meine Konstruktionen. Das jetzt im Museum in Bonn steht, war meine letzte.

Wegen Geräusch und den Nachbarn, wir einigen uns da, am Vormittag sind die ja auch irgendwo. Jetzt könnten wir Lärm machen. Abends kann ich das nicht so. Wir haben es ja gut, wir sind ja keine Klavierspieler. Klavierspieler war ich mal, aber jetzt hier hören Sie keinen Ton, und bei mir kann es krachen im Ohr, daß es nur so knallt. Wir können ja mit Kopfhörern hier bis tief in die Nacht arbeiten. Das muß ich auch machen. Jetzt muß ich wieder viel üben, durch die neue CD steht wieder alles mögliche an. Da muß ich mal wieder feste die Finger bewegen. Das erste Konzert ist in Holland, das übernächste könnte vielleicht in Dessau sein. Dann kommt eins in Herne. Da fahre ich aber nicht mit Instrument hin, da nehme ich Bänder und Filme mit.

Hitchcock war nicht hier in diesem Raum, der war in diesem Filmhaus Richtung Spandau. Da war ich seit 1940, dort hatte ich ein Studio gemietet. Mit dem Trautonium kann man keine naturalistischen Geräusche machen. Eben nicht so Schreie wie die Vögel, die müssen einen anderen Ausdruck haben, die müssen schlimmer sein bei Hitchcock und gefährlicher. Natürliche Geräusche macht man gar nicht. Hitchcock hätte natürliche Geräusche gar nicht brauchen können. So schreien sie halt, aber das ist ja nicht gefährlich. Man muß ja erschrecken. Hitchcock, das ist das, worauf sich alle stürzen. Ja ja, das ist ja auch was.

Es ist immer etwas schwierig, daß man an Filme rankommt, selbst wenn man sie selber gemacht hat. Bei mir stehen nur Bänder von den Filmen, aber nicht die ganzen Filme. Außer den Magnetbändern, die ich herstelle, da bleibt dann eben nichts. Und die paar anderen sind alles Vorführfilme für mich. Wer das mal bekommt? Ich habe noch keine Verhandlungen aufgenommen. Manchmal werden Archive übernommen, manchmal werden sie auch nicht übernommen. Das muß sich irgendwie ergeben. Solange ich existent und auch hier tätig bin, bleibt's bei mir, da wird nichts rausgegeben. Nicht daß ich vielleicht nach so einem Band rennen muß in ein Archiv, nein, das gibt's nicht. Das muß man hier um sich herum haben.

In diesem Zimmer bin ich jeden Tag. Gestern nacht war es spät, deshalb bin ich heut früh ein bißchen spät aus dem Bett gekommen (lacht). Das Trautonium kann niemand weiter spielen, es gibt ja keins, außer denen, die in Museen stehen. Das ist das große Problem: Es gibt keine Instrumente. Unterricht darf ich gar nicht geben. Das ist eine Neukonstruktion von drei Professoren von der ehemaligen Fachhochschule der Deutschen Bundespost. Die haben das konstruiert nach meinem Mixturtrautonium. Aber mit sehr schöner neuer Technik. Wenn jemand es lernen will, muß er sehen, wo er ein Instrument herkriegt. Ich kann ihm auch keins bauen. Die Technik kann ich nicht, die darf ich gar nicht verstehen. Ich soll da nicht dran rumbasteln. Zum Basteln hab' ich meine Außensaiten, die kann ich machen (lacht). Natürlich ist alles versichert. Und gegen Einbruch geschützt, schöne Siemens-Alarmanlage. Man tut, was man kann.

Ich bin in Thüringen geboren, 1920. Ich könnte schon längst unter der Erde liegen, vom Krieg auch her. Das war eine sehr gefährliche Zeit im Schützengraben vorne bei den Ostpreußen. Die Leute, die nichts vom Krieg verstehen, wie mich und andere haben sie eingezogen und haben die noch ganz da vorn hingeschickt.

Das da ist eine Maschine, da wird der Ton abgespielt. Für perforierte Magnetbänder. Am Schneidetisch kann man die Tonspur hin- und herschieben, und dann kann sie eingeschnitten werden. Und mit solchen perforierten Bändern wird dann am Schluß gemischt. Das ist meine Maschine, ich hab' natürlich alles mögliche gehabt. Da drüben bei mir stehen auch noch zwei Schneidetische, mit denen man die Filme anlegt. Das mußte man schon selber haben.

Berühmt? Sicher, irgendwie spricht sich das rum. Aber das ist ja kein Ziel. Das Ziel wäre, daß man tatsächlich das macht, was ich auch mache, daß man eine andere Musik damit machen kann, eine andere Wirkung erzielen kann. Wie sich so was auswirkt, das kann niemand wissen. So etwas Neues, das kann eine Sache sein, die mit mir zusammenhängt. Wenn ich einmal weg bin, dann ist vielleicht alles weg.

Solche Geschichten sind immer merkwürdig. Wer kann mit Hitchcock rechnen? Wer kann mit Professoren rechnen, die an so einer Fachhochschule sind? Ich hab' ja auch keinen mehr gefunden. Ich hab' auch keinen gesucht, ich hab's lieber selber gemacht. Ich hab' mir gedacht: Jetzt leg los und mach ein Instrument! Als die kamen, war das was ganz Neues. Eine wunderbare neue Technik, die die da entwickelt haben.

Das ist schwierig. Ich hab' ja auch niemanden gesucht, ich hab' gleich angefangen zu basteln. Ich hab' gedacht: Ich werde das sowieso nicht so lassen, wie es Telefunken hatte, das war ja zu primitiv. Für jemanden, der schon aus der Konzertpraxis kommt, ist es dann zu primitiv. Da muß man dann irgendwie was anderes machen. Na ja, und dann ist das ganze Leben draufgegangen (lacht). Da kann man nun nicht darüber urteilen: War das was, oder war das nichts? Immerhin ist es inzwischen was geworden, was vorher überhaupt nicht da war.