: Süd-Korea nimmt Geld vom IWF
■ Für die 55 Milliarden Dollar Fremdkapital im Land muß Seoul schweren Einschnitten in seiner Finanz- und Wirtschaftspolitik zustimmen. Verdopplung der Arbeitslosenzahlen befürchtet
Seoul (dpa) – Nach schwierigen Verhandlungen haben sich gestern die Regierung in Seoul und der Internationale Währungsfonds (IWF) auf einen Beistandskredit über 55 Milliarden Dollar geeinigt. Süd-Korea soll zunächst 35 Milliarden Dollar erhalten, um seine finanziellen Schwierigkeiten zu lösen, sagte IWF-Direktor, Michel Camdessus. Als Gegenleistung habe der IWF von Süd-Korea die Umstrukturierung und Liberalisierung des Finanz- und Kapitalmarkts verlangt.
Camdessus und Finanzminister Lim Chang Yuel hatten zuvor das Abkommen über das Hilfspaket unterzeichnet. Der Kredit für Süd- Korea ist der bisher umfangreichste, der vom IWF mit einem Mitgliedsland ausgehandelt wurde. Die Unterzeichnung war in den vergangenen drei Tagen immer wieder verschoben worden, da der IWF harte Forderungen gestellt hatte. Süd-Korea ist nach Thailand, Indonesien und den Philippinen das dritte asiatische Land in diesem Jahr, das die Hilfe des IWF in Anspruch nehmen muß.
Süd-Korea werde vom IWF 21 Milliarden Dollar über drei Jahre erhalten, sagte Camdessus. Der Präsident der Weltbank, James Wolfensohn, habe dem IWF zehn Milliarden Dollar für Süd-Korea zugesagt. Weitere vier Milliarden Dollar sollen von der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) kommen. Der Rest werde von einzelnen Ländern – darunter die USA, Japan, Frankreich, England und Deutschland – beigesteuert.
Finanzminister Lim hat sich im Namen der Regierung dafür entschuldigt, „mit der Währungskrise nicht weise umgegangen zu sein“. Der Beistandskredit werde für die Wirtschaft weitreichende Konsequenzen haben. Seouls Spar- und Reformpolitik würde eine Einschränkung der wirtschaftlichen Aktivitäten und höhere Arbeitslosigkeit mit sich bringen.
Laut Fernsehberichten verlangt der IWF, das Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr um die Hälfte der für dieses Jahr prognostizierten sechs Prozent herunterzuschrauben und das Leistungsbilanzdefizit auf weniger als ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts abzubauen. Seoul habe sich ebenfalls der Forderung gebeugt, angeschlagene Banken und Handelsbanken entweder zu schließen oder zur Übernahme durch Dritte freizugeben. Wirtschaftsexperten befürchten, daß die Arbeitlosenquote von den für dieses Jahr erwarteten zwei bis 2,4 Prozent auf fünf bis sechs Prozent im nächsten Jahr ansteigen wird. Zahlreiche Industriekonzerne wie Samsung hatten bereits während der Verhandlungen mit dem IWF Investitionskürzungen und Entlassungen angekündigt. Die Gewerkschaften hatten mit Streiks gedroht.
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