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Ein Kampf, ein ernster

■ Margret Kreidls Komödie „Dankbare Frauen“ im Postfuhramt

Da mag das Publikum am Anfang noch so die Hälse recken – das Sofa mit den beiden Frauen bleibt für die meisten unsichtbar. Dafür hat man freien Blick auf den Rest des Raumes: eine Tür, ein blau erleuchtetes Fenster und ein runder Tisch, umgeben von drei langbeinigen Stühlen. Alles so weiß, daß es fast weh tut, teils gesäumt von schwarzweißen Kuhfellen (Bühne: Susanne Schappert). Von Kopfschmerzen ist die Rede und davon, daß man müde ist. Dann kommt eine dritte Frau herein, lacht verkrampft, sagt: „Sie sieht immer noch gut aus“ und freut sich, weil es nicht stimmt. „Es ist ein schöner Tag“, entgegnet ihr die Grauhaarige, die jetzt ins Blickfeld rückt. „Du bist blond.“

Damit wäre die erste von elf denkwürdigen Szenen auch fast schon beendet, und als Pausenfüller vollbringt eine Barbiepuppe einen Drahtseilakt unter der Bühnendecke. Sie trägt Aerobic-Klamotten, ist braungebrannt und blond. Natürlich. Ob mit neuer oder alter Figur ist von unten nicht auszumachen.

Wobei Barbies leicht vollere Taille letztlich eine Lappalie ist, auch wenn alle davon sprechen, während dasselbe Ereignis bei echten Frauen als Herannahen zerfallender Schönheit eine wirkliche Katastrophe ist, was aber außer ihnen niemanden interessiert. Genau diese Katastrophe ist das Thema von „Dankbare Frauen“, einer Komödie der 33jährigen österreichischen Autorin Margret Kreidl. Als fünfte gemeinsame Arbeit der Gruppe Berliner Schauspielerinnen, die 1989 von Ulrike Hofmann gegründet wurde, um neue Stücke von Frauen einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen, fand die Uraufführung von „Dankbare Frauen“ am Mittwoch im ehemaligen Postfuhramt statt.

Magda, Marta und Meta treten auf, Magda und Marta sind 70, Meta ist 40. „Fettbedeckt, fettbedeckt, fettbedeckt“ wähnt sie alle ihre Körperteile und stürzt sich während ihres schriller werdenden Wortstakkatos in eine Gymnastik, für die man Arm- und Beinschoner und sogar einen Fahrradhelm braucht. Ein Kampf, ein ernster. Marta hingegen pflegt ihren Körper mit Yoga, während Magda neben ihrer Migräne nur ihre Erinnerungen pflegt – Erinnerungen an die langen Beine, die sie mal hatte, und Erinnerungen an „Wald, Wasser, Fische, Sommerfrische“. Dann wieder fällt ihr mit einer Karaffe in der Hand ein: „Ich kann das Wasser nicht halten.“

Von solchen heimtückischen Verknüpfungen und Doppelsinnigkeiten ist der Text voll. Der ätzende Spott, die leise Rührung und die grelle Komik liegen in ihren monologischen Wortkörpern hauchdünn übereinander – ein Schichtwerk, das die Berliner Schauspielerinnen kunstvoll bloßlegen. Dorothea Moritz als Marta hat eine, Hildegard Schroedter als Meta gleich zwei Szenen, in denen gezeigt wird, wie weit sich Bedeutung und Diktion, Wort und Gestus gegeneinander treiben lassen. Das Ergebnis ist sehenswert.

Serviert wird Kreidls Schauspielerfutter in Hofmanns Regie im ehemaligen Postfuhramt Mitte und dort bezeichnenderweise in der Kantine. Hier schleckt sich Meta die sündhafte Geburtstagstorte in Klumpen von den Händen, bereitet die anthroposophische Marta – „Ich lade die Farbe Blau in mich ein“ – ihre energetischen Speisen zu, und hier wird auch klar, was an diesen Frauen „dankbar“ ist: Bis zur Selbstauflösung darum bemüht, ihr Alter und ihre Schwächen zu verbergen, machen sie sich ihrer Umwelt so wenig bemerkbar wie ein „dankbarer“ Schuh, dessen Sohle hält und der nicht drückt. Sabine Leucht

„Dankbare Frauen“ von Margret Kreidl. Regie: Ulrike Hofmann. Mit: Karin Bremer, Dorothea Moritz und Hildegard Schroedter. Bis 22.12. und vom 7. bis 18.1., Mi – So, 20 Uhr, Postfuhramt Mitte, Oranienburger, Ecke Tucholskystraße

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