Sinkende Strompreise schaffen Jobs und Luft

Städte von Saarbrücken bis Toronto haben ihren Kohlendioxidausstoß schon längst drastisch reduziert  ■ Aus Kioto Matthias Urbach

„Wir haben eine simple Botschaft: Klimaschutz ist ein realistisches Ziel, und es bringt nur Vorteile.“ Peter Heller, Präsident des ökologischen Städtebundes ICLEI, hat Tausende von Kilometern zurückgelegt, um den Verhandlungsdelegationen diese Botschaft zu übermitteln. „Die Vorteile sind sauberere Luft, weniger Energiekosten und mehr Jobs. Fünfzig Städte haben ein Reduktionsziel für Treibhausgase formuliert, die meisten minus 20 Prozent.“

In ihrer Nagoya-Erklärung fordern die 201 Städte in der ICLEI- Klimakampagne von den Delegierten in Kioto nicht nur eine Reduktion von 20 Prozent bis 2010. Sie zeigen auch, wie das realisierbar ist. 47 der Städte haben bereits Klimaschutzprojekte umgesetzt und zusammen zwischen 1990 und 1996 ihre Emission um 1,2 Prozent gesenkt. Dabei ragen einige Städte, die schon länger an Maßnahmen arbeiten, heraus: So reduzierte Kopenhagen seine Emissionen um 22 Prozent, Saarbrücken um 15 Prozent, Toronto um 7 Prozent und Berlin um 11 Prozent. Dank eines neuen Kraftwerkes „hoffentlich bis 1998 auch 15 Prozent“, sagte Klaus Müschen, Leiter der Berliner Energieleitstelle, in Kioto. In Berlin konnte vor allem durch die Renovierung von einem Drittel der Wohnungen eine so starke Reduktion erreicht werden. In rund 600.000 Wohnungen förderte der Berliner Senat die Wärmedämmung.

In Kopenhagen gehören die Energieversorgung und die Müllverbrennung noch uneingeschränkt der Stadt. Vor allem hier konnte Kopenhagen reduzieren: Der Übergang von Kohle auf Gas in den Kraftwerken brachte allein fünf Prozent, der massive Ausbau der Fernwärme noch mal elf Prozent weniger Kohlendioxid. Der angenehme Nebeneffekt war eine deutlich bessere Luft. Um noch einmal acht Prozent konnte Kopenhagen den Kohlendioxidausstoß durch die Vermeidung von Müll reduzieren. Inzwischen werden in Kopenhagen mehr als 58 Prozent des Hausmülls kompostiert oder recycelt. Unterstützt wurde der Wandel durch die 1992 in Dänemark eingeführte Kohlendioxidsteuer von rund 25 Mark pro Tonne. Bis 2005 strebt Kopenhagen eine Minderung von 30 Prozent an.

Saarbrückens Erfolge wurden zur Hälfte durch den technischen Wandel in heimischen Stahlwerken erzielt. Den Rest erreichte die Stadt durch Energieeinsparungen, wie zum Beispiel der Ausbau der Fernwärme. Auch ein Energiesparprogramm in den stadteigenen Einrichtungen, wo seit 1980 die Hälfte der Kohlendioxidemissionen eingespart wurde.

Besonders erfolgreich war das Förderprogramm für Energiesparen in Privathaushalten. Zusammen mit den Stadtwerken und der Stadtsparkasse entwickelte Saarbrücken eine Teilfinanzierung für Geräte, die im Haushalt Wasser oder Strom sparten. Zwischen 1988 und 1993 wurden so 43 Millionen Mark investiert. Hinzu kommen Investitionen in Fahrradspuren und die Solarzellenförderung in der 190.000-Einwohner-Stadt.

„Wir haben die besten Erfolge, wo öffentliche und private Institutionen zusammenarbeiten“, sagt die europäische ICLEI-Direktorin Virginia Sonntag-O'Brian. Wie zum Beispiel das kanadische Toronto. Die Stadt gründete mit dem Verkaufserlös von Grundstücken eine gemeinnützige Stiftung, die Energieeinsparungen fördert (siehe Interview).

Klar ist aber auch, daß die Städte auf Dauer keine Einzelkämpfer bleiben können. Ohne eine Energiesteuer wird Saarbrücken sein Reduktionsziel von 25 Prozent bis 2005 vermutlich nicht erreichen können. Verständlich daher auch der Ärger der kanadischen und US-amerikanischen ICLEI-Vertreter über die schwachen Vorschläge ihrer Regierungen in Kioto. „Die Bürger sind mehr als bereit, etwas zu tun“, sagt Stadtrat Dan Leckie aus Toronto. „Doch die Regierungen sind leider sehr starken Lobbys ausgesetzt, die keine Änderungen wollen.“